Bautagebuch
Während der Bauzeit der Abtei St. Hildegard wurde ein sog. Bautagebuch geführt, das kurz und knapp, oft nur in einzelnen Stichworten, aber mit fast täglichen Einträgen den Baufortschritt dokumentiert. Dieses Bautagebuch ist ein außergewöhnlich genaues Zeugnis für die Art und Weise des Bauens um 1900. Wir feiern in diesem Jahr 125 Jahre Grundsteinlegung. Mit dem 2. Juli 1900 begann ein fünf Jahre langer Weg des konkreten Aufbauens eines neuen Klosters St. Hildegard, nachdem der Rupertsberg 1632 zerstört und das Eibinger Kloster 1814 endgültig aufgehoben wurde. Wir laden Sie ein ein, diesen Weg des Aufbauens mit uns zu verfolgen. Es ist ein interessantes Zeitzeugnis der damaligen Bautechnik, außerdem aber auch eine sozialgeschichtliche Quelle erster Ordnung, wenn von Drohbriefen der Arbeiter an den Polier, der Sozialversicherung der italienschen Gastarbeiter oder vom Zustand der Straßen in Eibingen berichtet wird.
Bautagebuch 19. Woche
XIX. Woche. 1. Okt. – 6. Okt.
Turmfundamente. Grabung für die Fundamente des Südflügels
3. Starker Regentag.
5. Die Bergbahn kommt in Gang. Es sind nur 9 – 10 Maurer (mehrere bei Feldgeschäften zu Hause.)
6. Bankettmauerwerk des Südflügelgangs. Die reifen Trauben sind gefährdet.
Zwischen den Zeilen deutlich zu lesen: Wir sind in einer Weinregion. Die Ernte geht vor. Darum fehlen viele Arbeiter. Zum Bau gibt es nicht viel zu berichten…
Bautagebuch 18. Woche
XVIII. Woche 24. – 29. Sept.
Am nördl. Turm Beginn der Fundament-Ausmauerung.
Die Maschinenteile für die Bergbahn komen an.
26. Visitatio durch Ven. H. Fr. Ludger. Das Mauerwerk des nördl. Turms; der Arbeitsausweis für Baumeister, daß stellenweise zu kleines Steinmaterial verwendet wird. Zufuhr von Hausteinen aus Hillesheim von der II. Steinliste. (Vertreter der Firma Ackermañ u. der junge Besitzer am 25. hier.)
28. Schnurgerüste für den Süd- u. Westflügel, deren Fundamente bald in Angriff genommen werden. Anlage der Bergbahn.
Im Verzeichnis der Denkmäler hessen steht, es handele sich um Mainsandstein. Diese Aussage wurde nach dem Augenschein getroffen. Die Quellen – auch die einzelnen Rechnungen sind erhalten – belegen klar: es handelt sich um schönen, roten Eifelsandstein.
Nebenstehendes Foto zeigt die Apsis – der Sandstein ist gerade frisch restauriert.
Bautagebuch 17. Woche
XVII. Woche. 17. – 22. Sept.
17. Festum Stae. Hildegardis.
18. Das rechtsseitige Straßenmauerwerk und die Abortanlage neben dem Turm werden bis zur Höhe von 13,89 + 4,50 m aufgeführt; die Abortgruben überwölbt. Die Ausschachtung der nördl. Turmfundament-Grube wird fortgesetzt. Die Steinbrüche ergeben gutes und hinreichendes Material; die beiden obern sind nahezu in einen zusamengezogen, und werden in der folgenden Woche auch nur mehr einer sein, für den die Anlage einer Bergbahn in Aussicht genommen wird.
Am 18. fand die Versteigerung des Obstes statt u. darnach koñten auch die Bäume auf dem Bauplatz gefällt werden. – Bis zum 22. Sept. betrug die gesamte Erdaushebung ca. 1500 cbm; Straßenmauer 480 cbm, Fundamente u. Gebäude 685 cbm. Aufgehendes Mauerwerk 1280 cbm, Gewölbemauerw. 33 qm, Schichtenfläche 290 qm, Asfaltierung 400 qm.
dann eingeklebt: Abschrift eines Briefes an den Polier:
„Abschrift
An Herrn Jos. Dillmann Polier
Kloster-Neu-Bau Eibingen b. Rüdesheim a. Rh.
Postzeichen Rüdesheim 23.9.00
Geehrter Herr Dillmann! Ich will Ihnen hiermit zu wissen thun, daß Sie, wenn Sie noch so weiter fort fahren, mit den Leuten so grob und trotzig umzugehen, daß Sie die längste Zeit dort oben an dem Kloster-Bau Polier gewesen sind. Dañ werden Sie, weñ Sie sich nicht anders betragen, bald in die Ewigkeit hinüber befördert werden. Darum es besser wäre, weñ Sie sich mit den Leuten vertragen. Ihre Stunden sind gezählt, gar bald wird der Sturm losbrechen, weñ Sie auch Gewehr Revolver und alles haben, es wird Sie nichts nützen. Sie haben also jetzt zwei Wege, entweder sich mit den Leuten vertragen oder das andere. – Dieses Losungswort ist: einer für alle, alle für Einen.“
Starke Worte des Streiks!! Nebenstehend ein Foto des Empfängers: Polier Dillmann.
Bautagebuch 16. Woche
XVI. Woche 10. – 15. Sept.
10. Sept. Das Turmmauerwerk des südl. T. erreicht heute die Höhe von 4,50 über 13,89 +° Mauerwerk des Chors u. Kreuzgangs. Es begiñt das Goudronieren. Der Weg wurde nicht in gehörigen Stand gesetzt, indem am Ende der bisher ausgeführten Straßenmauern ein starker Absatz blieb, der jetzt so bald u. so gut wie möglich ausgeglichen werden muß. Der Bauführer Fecher geht nicht, wie es sein sollte, auf die Wünsche des Bauherrn ein, daß den alten Gemeinderechten entsprochen wäre. – H. Baumeister bringt die Goudronarbeiter.
11. heute kommt der Weg in Ordnung. Die Goudronarbeiter werden wieder entlassen, da das Mauerwerk mit Mörtelanwurf in Stand gesetzt werden muß, u. auszutrocknen hat
13. Ven. Fr. Ludger hier. Die Asfaltierung wurde in unrichtigen Weise begoñen; daher gut, daß sie sistiert ist u. später wieder aufgenommen wird. Die Ausgrabung für die Abortanlage; die rechtsseitige Straßenmauer als Fortsetzung dieses Mauerwerks der Abort-Anlage. Die Stärke dieser Mauer wird auf 0,95 und 0,75 m festgesetzt. Die Berechnung der geleisteten Arbeiten. Die Höhenbestimmungen der Bankette[2] in dem ausgeführten Mauerwerk .
14. Die westl. Chorhauptmauer, die östlich. und südl. Kreuzgangmauer sind bis zur Höhe von 4,50 m über 13,89 +° geführt u. abgeglichen.
15. Das Mauerwerk der Abortanlage beim Turm wird begoñen.
Die Ausgrabung der rechtsseitigen Straßenmauerfundamentgrube wird fertig.
Bankett – erster unterster Absatz einer Gründungsmauer. Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 350.
Das nebenstehende Foto zeigt den Bauplatz an einem heutigen Bild: am Unteren Bildrand, die beiden Türen von links: Straßentoiletten = „Ausgrabung der Abortanlage“. Rechts die Turmtür.
Bautagebuch 15. Woche
15. Woche 3. Sept. – 8. Sept.
Fortsetzung des Mauerwerks am südl. Turm.
“ der Fundamentgrabung für Chor u. Kreuzgangmauern
4. Sept. H. Bürgermeister Weiss, H. Schäfer zwei weitere Herren Bürger besuchen den Bauplatz mit Bezug auf die Weg-Herstellung, weil am kommenden 8. Sept. die Weinberge nach herkömlicher Sitte „geschlossen“ werden.
6. Fundamentmauerung für Chormauer und Kreuzgang.
Herr Schäfer, eingeführt in der 4. Woche, besucht zusammen mit dem Bürgermeister von Eibingen, Theodorus Weis (1898–1906), die Baustelle. Der Bau bzw. die durch den Bau massiv beanspruchten Wege, behindern die Weinbauern. Der Gemeinderat verfügte das Schließen der Weinberge durch eine amtliche Verfügung. Maßstab war der Reifegrad der Trauben. Der Beschluss wurde öffentlich verkündet. Damit wurde gewährleistet, dass reife Trauben gelesen wurden. Da niemand die Weinberge betreten durfte, war das Schließen der Weinberge auch ein Schutz vor Diebstahl. Da die Abtei mitten in die Weinberge gebaut wurde, bezeugen frühe Bilder des Klosters weitere Einzelheiten: Die Weinstöcke wurden früher nicht in Reihen erzogen, sondern an Einzelstickeln angebunden.
Bautagebuch 14. Woche
14. Woche 27. Aug. – 1.Sept.
Am 27. war Ehrw. H. Fr. Ludger wieder hier. Besprechung des Kamins für die Heizung. Die II. Asfaltlage. Das Turmfundament des nördl. Turms.
29. 8te Kalkzufuhr. Zufuhr von 10 Fässern Goudron.
29. Das Mauerwerk über den Fundamenten des südl. Turms wird fortgesetzt. H. Baumeister reist nach Ems, resp. Niederlahnstein, um eine Drahtseilbahn in Augenschein zu nehmen, nach deren Vorbild hier eine anzulegen wäre.
30. In Folge des starken Mörtelverbrauches ging der Sandvorrat ganz zu Ende. Doch wird gleich in der Früh mit 7 Fuhrwerken zugeführt, im ganzen 28 Fuhren (à ca. 0,60 cbm) an diesem Tage.
1. Sept. In vergangener Nacht ein Diebstahl in den Steinbrüchen. 1 Brecheisen u. 2 Steinschläger (letztere im Gewicht v. ca. 14 Pfd. per Stück). Der Verdacht ist auf einen jungen Man, dessen Vater vor drei Jahren Steinbrecher hier war u. damals ein Brecheisen zurückließ, das der Sohn vor einiger Zeit vergeblich requiriert hatte.
Es wird jetzt nochmal wegen Herstellung des Weges in benutzbarem Zustand (von Seiten des H. Schäfers) gemahnt. Es steht jetzt Einschreiten des H. Bürgermeisters in Aussicht u. Bestrafung des Baumeisters, da am 8. Sept. das „Schließen“ der Weinberge begiñt. Zufuhr von 100 m Eisenbahnschienen.
Goudron ist der französische Begriff für Teer, Bitumen, Asphalt, der als Dämmung gegen aufsteigende Nässe eingesetzt wurde.
Bautagebuch 13. Woche
13. Woche. 20. – 25. Aug.
Die Straßenmauer wird am Mittwoch vormittags fertig bis zur 0,55 starken aufgesetzten Mauer. – Behufs der Controlle der Fundamente der Straßenmauer werden in den Weinbergen unterhalb des Weges Schächte ausgegraben u. dabei die Weinberge ziemlich stark ruiniert.
24. am Chormauerwerk (am äußern) wird begoñen. Bauführer macht eine Dossierung, um in der höhern Etage auf die planmäßige Fluchtlinie zu komen.
Eine Dossierung wäre die Abschrägung des Gebäudesockels. Schräge, abstützende Sockel hat das Gebäude nicht. Vermutlich ist gemeint, dass die Ostwand des Chores über dem Souterraingeschoss etwas zurückspringt (siehe Foto).
Bautagebuch 12. Woche
12. Woche 13. – 18. Aug.
Visitation durch Ven. D. Fr. Ludger. Es stellt sich heraus, daß die Fundamente des II. (nördl.) Turms bedeutend zu tief gegraben sind; u. für den noch zu grabenden Teil wird eine neue 1,30 m geringere Tiefe angeordnet.
Die Anstampfung längs des Außenmauerwerks der Dienerwohnung an der Straße wird etwas vernachlässigt; und weñ der eine Taglöhner dafür instruiert ist, wird die Arbeit am folgenden Tag einem anderen aufgetragen, der es wieder nicht recht zu machen versteht.
18. abends wieder gegen die Verwendung zu kleiner Steine (bei der Straßenmauer) einschreiten müssen. Eine approximative Schätzung des ausgeführten Mauerwerkes gemacht für Baumeister.
Bautagebuch 11. Woche
11. Woche 6. – 11. Aug.
Infolge des Regentages unterbrochene Arbeit. Die Arbeiter machen leider Unordnungen in Wirtshäusern. Es sind ca. 4 – 6 neue Arbeiter da; einige bisherige sind entlassen. Es wird eine Rutsche für die größeren Bruchsteine angelegt, welcher noch zwei weitere folgten.
7. Im großen Steinbruch zeigt sich besseres u. leichter gewinnbares Material. Die Maurerarbeit geht etwas flau. An der südl. Hauptmauer des Presbyt., ca. 2,50 über Fußboden der Dienerwohnung werden kleine Steine verwendet in reichlicher Mörtelbettung mit Schichten von größeren Steinen am Rande, ohne Binder. Dies widerspricht den speziellen Bedingungen für Maurerarbeit u. „Gottgetreu“, pag. 64. Der Bauführer wird sogleich darauf aufmerksam gemacht.
9. Zufuhr von Ziegeln begiñt. Der kleine Tuñel ist fertig. Die Straßenmauer wird in ihre endgültige Höhe gebracht. Behufs der Aufschüttung und Verwendung der ausgegrabenen Erde.
Bruder Klemens, der klösterliche Bauführer, hält mit seinem Wissen nicht hinter dem Busch. Immer wieder macht er den Polier Dillmann auf Fehler aufmerksam. Hier benennt er sogar die Quelle seines Wissens: Ein Buch von Rudolf Gottgetreu, 1821-1890. Dieser war Architekt, Hochschullehrer und Verfasser des Lehrbuchs für Hochbau-Konstruktionen, Teil 1 Maurer- und Steinmetzarbeiten. Berlin 1880. Rechts im Bild die Mauer von der die Rede ist.
Bruder Klemens ist auch beim Schreiben sehr effizient. Doppeltes n und m werden einfach geschrieben und mit einem Zeichen über dem Buchstaben verdoppelt.
Bautagebuch 10. Woche
10. Woche 30. Juli – 4. August.
30. Visitation durch Ven. H. Fr. Ludger; der Kanalisierungsplan; die Frage der Steinbruchseröffnung wird nach beiden Seiten befriedigend gelöst; die Thürbreite zum Tunnel wird wie auf dem Plane = 1,35 m.
31. Eröffnung des dritten Steinbruchs neben dem oberen großen Bruch. Versetzung der Werksteine, von denen manche bedeutendere Schäden aufweisen.
August. Neben der Fortsetzung des übrigen Mauerwerks die Ausmauerung des Tunnels.
4. Das Anerbieten des Steinmetzgeschäftes zur Nachlieferung neuer Steine für die Beschädigten wird angenommen u. zwei Stücke von den 84 Stück der I. Steinliste ausgeschieden. Dabei macht sich der Mangel einer ordnungsmäßigen Lagerung bemerklich. – Ausmauerung und Überwölbung des Tunnels ist fertig.
Bautagebuch 9. Woche
9. Woche 23. – 28. Juli
Die Frage über die Gewölbe-Ausführung in der Dienerwohnung wird gelöst durch ein Schreiben des Ven. H. Architekten Fr. Ludger. Die beiden Steinbrüche zeigen sich nicht ergiebig genug u. es wird notwendig ein Dritter eröffnet werden müssen, was noch einiges Rebland erfordert.
26. Die Bauhütte für die klösterl. Bauleitung ist fertig und kann benutzt werden.
28. Die Baucomissionspläne komen von der Bezirks-Bau-Inspektion an mit einigen Zuthaten. Die Fundament-Ausgrabung des II. Turms ist seit 26. in Angriff genommen.
Die Ausgrabung zum Tunnel ist fertig; die Herstellung des Weges zur Benüzung für die Feldnachbarn wäre wünschenswert, kann aber nicht so schnell ausgeführt werden. Die Zufuhr der Werksteine v. Hillesheim beginnt. (28.)
Nebenstehend ein Foto, dass die Stärke der Turmfundamente zeigt.
Bautagebuch 8. Woche
8. Woche 16. – 21. Juli
16. H. Architekt Fr. Ludger hier: daß das nötige Breitmaß der Straßenmauer nicht überschritten werde; daß die Weinberge besser geschont werden; daß die Bauhütte für uns bald beendigt werde; daß die Nebenrechnungen von Monat zu Monat vorgelegt werden.
16. Es wird angeordnet, daß der Fußboden der Dienerwohnung um 50 cm höher gelegt werden dürfe.
18. Zur Vollendung des Bauhüttchens fehlen wiederholt Materialien (Ziegel, Latten etc)
21. Die Turmfundamenteausgrabung fertig. Die Ausmauerung hat gestern schon begonnen. Die Fensterbank-Höhen in der Dienerwohnung etwas adaptiert nach der neuen Fußbodenhöhe.
Alle Rechnungen aus der Bauzeit sind erhalten (siehe Foto) und geben ein gutes Bild für die Verschachtelung der Bauschritte ab. Der Bauplan wurde während des Bauens angepasst.
Bautagebuch 7. Woche
7. Woche 9. – 14. Juli
9. Die ersten Versuche zur Sprengung mit Pulver im Steinbruch werden gemacht.
10. Polier meint, aus den Steinbrüchen werde man nicht genügend Bruchsteine erhalten können.
11. Das Ausgraben der Turmfundamente beginnt. Es machen sich verschiedene Meinungen bemerklich, als ob die Straßenmauer zu stark werde. Auch geben die einen u. andern Arbeiter Anlaß zu Klagen über wiederholtes rücksichtsloses Verderben u. Verunreinigung der Weinberge. – Die kgl. Bezirks-Bauinspektion hat strikte Vorschriften über die Anlage d. Arbeiter-Aborte gegeben, die mit verhältnismäßig großem Aufwand durchgeführt werden mußten: u. da dies geschehen ist, benutzen die Arbeiter denselben nicht.
12. Eine Schätzungs-Comission der Nassau’schen Brandkasse am Bauplatz, um die Bauhütte, Locomobile u. Feldschmiede einzuschätzen. Die Feuerung der Locomobile macht manche Schwierigkeiten um geeigneten Zug zu haben. Beaufsichtigung des Mörtelmachers, damit die Mischung imer eine gute ist.
13. Die Arbeiter gleichen die Straßenmauer ab u. gehen wieder an die Abside etc.
14. H. Schäfer macht aufmerksam, daß zur baldigen Ernte der Weg für die Berechtigten fahrbar gemacht werde.
Jetzt kann man im Bautagebuch schon zurückblättern: Die Lage des Steinbruchs ist in der 3. Woche beschrieben. Die Lage der Aborte in der 2. Woche. Herr Schäfer wurde in der 4. Woche eingeführt. Nebenbei wird der Weinbau beschrieben. Es war ganz klar geregelt, wer die Weinbergslagen überhaupt begehen und befahren durfte. Nebenstehendes Foto aus dem Klosterarchiv zeigt den Weg zum Kloster um 1904. Man kann sich vorstellen, dass es bei Regen hier sehr matschig war.
Bautagebuch 6. Woche
6. Woche 2. – 7. Juli
Am 2. feierliche Grundsteinlegung durch Rms. D. D. Arciabbas P. Placidus Wolter v. Beuron.
Am 3. komt das Lokomobile an, wird am 4. in Stand gesetzt u. beginnt der Betrieb desselben zur Mörtelmaschine. Fundament-Ausmauerungen. Das Bauhüttchen wird angelegt.
5. Die Mahnung gegeben, daß innerhalb des äußern Schichtenmauerwerks auch große Steine durchbinden, damit das Setzen des Mauerwerks gleichmäßig vor sich geht. – Die Hausteine zur Thüre der Dienerwohnung sollten jetzt da sein!
6. Der Polier H. Dillmann tritt die Stelle an.
7. Der neue Schienenweg, auf einem Gerüst bis zu 5,70m über Terrain ist fertig. Abends bekommen die Arbeiter einen Trunk, Brot u. Wurst zur Grundsteinlegungsfeier. 54 Arbeiter, per Mann 49 Pf. (20 + 23 + 6)
Placidus Wolter (* 24.04.1828, Profess 16.07.1856 † 13.09.1908) war der 2. Erzabt von Beuron. Geboren in Bonn, trat er mit zweien seiner Brüder in St. Paul vor den Mauern in Rom ein und machte dort sein Noviziat. Mit seinem Bruder Maurus Wolter ist er Gründer der Abtei Beuron und der Beuroner Kongregation. Nach dem Tod seines älteren Bruders wurde er 1890 Erzabt in Beuron.
Ein Foto von der Grundsteinlegung gibt es nicht. Gezeigt ist hier ein Ausschnitt aus einem Foto vom Einzug 1904. Ebenso gibt es kein Bild mit Dampfmaschine. Beispielhaft wird hier ein etwas jüngeres Lokomobile aus dem LWL-Freilichtmuseum Hagen gezeigt.
Der Bau steht bei der Grundsteinlegung in der 6. Arbeitswoche. Aber wieviel Vorarbeit ist schon geschehen. Steinlisten mit den genauen Maßen und Formen der Werksteine / Hausteine aus Sandstein sind längst in der Eifel bestellt.
Von Polier Josef Dillmann ist ein Foto im Bautagebuch eingeklebt. Weitere Angaben zu seinem Leben sind nicht bekannt.
Bautagebuch 5. Woche
5. Woche 25. – 30. Juni
Die unangenehmen Erfahrungen über Kirschendiebstahl, Mißbrauch des Brunnens über den Sonntag.
26. Die Coten über die bisherige Ab- und Ausgrabung in den Plan eingeschrieben.
Am 27. Erneuern sich die Klagen über Kirschenentwendung auch bei Nachbarsleuten.
Am 25. war Ven. H. Architekt hier. Anordnungen bezüglich des Grundsteins u. des zur Grundsteinlegung nötigen Kreuzes. Die Weg-Angelegenheit unterhalb des Bauplatzes. Ein Bauhüttchen für die klösterl. Bauleitung wird angeordnet. Bestimmung über die etwaige Verwendung der früher gebrochenen Steine bei der großen Rossel. Für den Fall, daß sie von H. Baumeister Fischer verwendet werden, müssen sie abgemessen u. verrechnet werden.
Am 26. komt der Grundstein an: Ein Rest vom Kaiser-Hochaltar in Maria Laach: 40 cm br. 40 cm lg. u. 30 cm hoch.
Am 27. begiñt das Schichtenmauerwerk an der Abside.
“ 28. Asfaltlegung.
“ 30. Zweite Visitation durch V. H. Fr. Architekten. Es wird die teilweise unrichtige Asfaltlage getadelt.
Der Rheingau war früher nicht nur für den Weinbau bekannt, sondern auch eine bedeutende Anbauregion mit vielen Kirschbäumen.
Koten oder Coten – sind Höhenzahlen und -kurven, durch welche die Höhenverhältnisse des Geländes zum Ausdruck gebracht werden. Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 7 Stuttgart, Leipzig 1909, S. 138-139.
Eine Rossel ist eine Ansammlung von Steinen, entweder aus einer Steinader oder aus zusammengesammelten Steinen vom Feld. In den Katasterplänen sind sie als Unland ausgewiesen.
Das Bauhüttchen für die klösterl. Bauleitung gibt es bis heute. Das sog. Klemenshäuschen, nach dem Bauleiter benannt, dient heute als Treibhaus für den Gartenbau.
Bautagebuch 4. Woche
4. Woche 18. – 23. Juni
Kalkzufuhr u. Kalklöschen; Fortsetzung der Erdarbeiten. Am Dienstag, d. 19. wurden die ersten Mauersteine der Straßenmauer verlegt. Es wird ein Schienenweg hergestellt vom Steinlagerplatz bis zur Verwendungsstelle. H. Schäfer läßt den Weg unten an der Krümmung breiter machen.
Am 21. die ersten Mauersteine in die Absidenfundamente.
Am Freitag d. 22. erster kleiner Unfall mit dem Rollwagen infolge Unachtsamkeit der Arb. u. Schlüpfrigkeit des Weges nach mehreren Regengüssen; jedoch ohne Schaden. Das Sichtmauerwerk in Schichten beginnt. Wetter etwas veränderlich; mehr Gewitterregen.
Herr Schäfer war ein Eibinger Bürger, der für die Äbtissin von St. Gabriel vor Ort die Bewirtschaftung der Weinberge, in die das Kloster mitten hinein gebaut wurde, übernommen hatte. Vermutlich handelt es sich um Georg Schaefer (1829-1908). Im Archiv der Abtei sind 11 Briefe erhalten, die als „Briefe des Eibinger Bürgermeisters Georg Schäfer nach St. Gabriel u. Emaus 1897-1904“ beschriftet sind. In der offiziellen Liste der Eibinger Bürgermeister ist er jedoch nicht genannt.
Im Kloster sind mehrere extrem stabile Rollwagen erhalten. Natürlich ist nicht sicher, ob es die genannten Schienenwagen sind. Der größte von ihnen ist im Friedhofskeller in den Boden einbetoniert und dient als Tisch.
Bautagebuch 3. Woche
3. Woche 11. – 16. Juni
Fortsetzung obiger Arbeiten. Am 14. Fronleichnamsfest. Am 16. kam Ven. Fr. Ludger mit seinem künftigen Stellvertreter an.
Sandzufuhr. Erdausheben; Arbeit an der Bauhütte. Die Arbeiterzahl beträgt: ca. 20 Grabarbeiter, 12 Mann in beiden Steinbrüchen, 10 Maurer, von denen mehrere beim Sortieren der Bruchsteine u. Aufschichten derselben beschäftigt sind, einige Lehrknaben, im Ganzen ca. 40 Arbeiter.
Die Ausgrabung der Fundamente für die Straßenmauer ist beendigt.
Nach nur drei Wochen Bauzeit, es wird noch an der Bauhütte selbst gearbeitet, ist das Ausheben der Fundamente für die Straßenmauer beendet. Der Arbeitseinsatz muss immens gewesen sein. Auch die Steine wurden ja vor Ort gebrochen. Ca. 40 bis 60 Arbeiter ist die Größenordnung über die gesamte Bauzeit. Eine Radierung von 1903 zeigt die damalige Lage des Steinbruchs.
Ven. Fr. Ludger ist die respektvolle Anrede des Mönchs: Venerabilis Frater Ludger. Ehrwürdiger Frater, d.h. noch nicht Priester.
Bautagebuch 2. Woche
2. Woche 5. bis 9. Juni
Erdaushebung für die Fundamente. Erbauung einer Bauhütte mit 2 Zimmern für den Polier, ein Zimmer als Bureau, 1 Geschirrkammer u. 1 Arbeiterhalle; Feldschmiede u. Abortanlage. Steinbrechen.
Aus dem Jahr 1901 ist ein Lageplan erhalten, auf dem die Bauhütte lokalisiert ist. Die Feldschmiede ist mit Abstand von den anderen Räumen angelegt, um vor Unfällen mit dem offenen Feuer zu schützen. Die Abortanlage, auf dem Lageplan ganz in der Ecke des Grundstücks, ist auf dem Plan als Retirade beschriftet. So ganz nebenbei gilt es beim Baufortschritt, den Wortschatz um „neue“ alte, ungebäuchlich gewordene Worte zu erweitern: Retirade ist ein militärischer Begriff und bedeutet Rückzug, Zurückweichen, Sichentfernen von einem Ort. Und dann übertragen, verhüllend: sanitäre Vorrichtung, Toilette.
Bautagebuch 1. Woche
1. Woche vom 28. Mai bis 2. Juni 1900
Abstecken der Maße durch H. Architekten Ehrw. Fr. Ludger. Beginn der Erdarbeiten. Zufuhr von Gerüstmaterialien und Geräten. Steinbruch abräumen; Eröffnen eines zweiten Steinbruchs. Am 3. Juni Pfingstfest.
Der Verfasser des Bautagebuchs ist der „klösterliche Bauleiter“ Bruder Clemens Kleiner OSB aus Prag, Abtei-Emaus, * 01.04.1850, Profess 01.12.1878, † 04.02.1939.
Vor seinem Klostereintritt war er Lehrer. Weil sein Gehörleiden sich verschlechterte und später zur völligen Ertaubung führte, musste er die Priesterausbildung abbrechen und wurde als Laienbruder der Beuroner Kunstschule zugeteilt. 1876 reiste er mit der Künstlergruppe zur Ausgestaltung der Toretta nach Montecassino. Dort blieb er, bis er 1885 den Auftrag erhielt, sich in das Baufach einzuarbeiten, um als Werkzeichner und Bauleiter bei den verschiedenen Klosterneubauten der Kongregation tätig werden zu können. Er arbeitete am Wiederaufbau der Türme in Seckau, dem Bau der Abtei St. Gabriel in Prag und vor allem leitete er den Bau der Abtei St. Hildegard. Viele weitere Stationen folgten, auch außerhalb der Kongregation z. B. in Prag und Wien. Ab 1919 lebt er in der Abtei Neresheim, wo er neben der Leitung von Bauarbeiten wieder als Lehrer wirken konnte, denn er unterrichtete an der landwirtschaftlichen Winterschule das Fach Bauzeichnen. Dort starb er 1939 im Alter von 88 Jahren.
Der ausführende Architekt war Ludger Rincklake OSB, Maria Laach, * 09.06.1851, Profess 15.08.1898 † 28.09.1927. Zur Zeit der Grundsteinlegung war er noch in der klösterlichen Ausbildung. Wilhelm Rincklake, geboren in Münster (Westfalen) gehört zu den wichtigsten Vertretern der Neuromanik und der Neugotik in der Sakralarchitektur Westfalens. Sein älterer Bruder August Rincklake war ebenfalls Architekt und führte nach dem Eintritt Wilhelm Rincklakes in den Benediktinerorden dessen Architekturbüro in Münster fort.

















































