Beuroner Kunst
Die Beuroner Kunstschule
Die Beuroner Kunst ist mystische, liturgische und damit zugleich auch monastisch-benediktinische Kunst. Sie dient ausschließlich der Bestimmung, Gott zu verherrlichen, und ist Ausdruck der Gesinnung der Künstler. Sie will einladen zum bloßen Schauen, zur Anbetung, zur Versenkung in Wesen und Geheimnis Gottes. Die Beuroner Kunst atmet Frieden und ist zugleich auf wunderbare Weise zeitlos. Darin kommt sie ihrem großen Vorbild, der alten ägyptischen Kunst, besonders nahe. Architektur und Malerei, die eng aufeinander bezogen sind, strahlen eine unwandelbare Ruhe und Majestät aus. Die Abstraktion von allem Bewegten ist bis ins Letzte folgerichtig ausgeführt: in der Architektur bestimmen die geraden Linien das Bild; in der Malerei herrscht das streng Stilistische und Stilisierte vor; die Farbgebung ist harmonisch und einheitlich. Es gibt wohl kaum eine Kunstrichtung, die das Ruhen in Gott, jenen Grundzug mystischer Beschauung, klarer zum Ausdruck bringt als die Beuroner. Für viele moderne Menschen, die die Kunst nur um der Kunst willen schätzen, mag es heute schwierig sein, diese „l’art pour Dieu“ (Kunst um Gottes willen) zu erfassen. Einem Menschen jedoch, dem die Kunst Gedankeninhalt ist – abgründiger als ein Wort -, und der bereit ist, zu hören und zu schauen, sich anregen und in das Geheimnis führen zu lassen, dem werden sich diese Malereien aufschließen wie ein kostbarer Schatz. Er wird hinausgelenkt über sich selbst und hineingeführt in die unendlichen Weiten der Ewigkeit.
Ausstellung zur Beuroner Kunst und zur Ausmalung der Abteikirche
Aus Anlass des 100-jährigen Kirchweihjubiläums am 7. September 2008 haben wir im Seitenschiff unserer Kirche ein halbes Jahr lang eine Ausstellung präsentiert, die sich mit der Beuroner Kunst, der Ausmalung unserer Abteikirche sowie mit der Baugeschichte der Kirche beschäftigte. Die Ausstellung erfreute sich außerordentlicher Beliebtheit und wurde mit so großem Interesse aufgenommen, dass wir uns entschlossen haben, diese nun jedem Interessierten auf unserer Homepage zugänglich zu machen. Wie bereits in der Chronik berichtet, hatten Sr. Teresa, Sr. Emmanuela, Sr. Philippa und Sr. Benedicta, maßgeblich unterstützt durch Herrn Hans-Georg Kunz, bereits 2007 mit der Planung und Vorbereitung der Ausstellung begonnen. Die Ausmalungen unserer Abteikirche gelten als eines der wenigen noch erhaltenen Hauptwerke der Beuroner Kunstschule. Diese lange Zeit fast vergessene und heute wieder sehr beachtete Kunstrichtung entstand im letzten Drittel des 19. Jh. und war bis Mitte der zwanziger Jahre weit verbreitet. Die Künstler übernahmen Formen und Motive aus ägyptischer und byzantinischer Zeit, sowie aus dem sich gerade entwickelnden Jugendstil. Die Malereien wirken durch ihre Stilisierung fast zeitlos modern. Leider wurden wesentliche Teile der Kirche in den sechziger Jahren übermalt. Die Ausstellung zeigt nun, wie es einmal ausgesehen hat. Zu sehen sind hauptsächlich Reproduktionen der originalen Entwürfe, die bisher nicht veröffentlicht wurden. Diese erlauben auch einen spannenden Einblick in die Entwicklung der Ausmalungen, in die die verschiedenen Entwürfe und die einzelnen Phasen der Ausmalung. Neuere Funde in den Archiven der Erzabtei Beuron und unseres Hauses ermöglichten es uns außerdem, eine getreue Rekonstruktion in Form von 3D-Fotosimulationen vorzunehmen. Für die 3D-Fotosimulation wurden auf Basis alter Pläne der Nonnenchor und das Presbyterium samt Apsis im Computer nachgebildet. Die Wände, Böden und Decken wurden anhand der Vorlagen aus der Beuroner Malschule maßstabsgerecht rekonstruiert. Die virtuelle Ausführung erfolgte dann anhand der Original-Farbvorlagen, Konturzeichnungen und alter Schwarz-Weiß-Fotos, die in digitaler Form vorlagen. Wir wünschen Ihnen viel Freude beim „Rundgang“ durch die Ausstellung!
Ihre Schwestern der Abtei St. Hildegard
Beuronische Kunst
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab die Erzabtei Beuron einer eigenen Richtung in der kirchlichen Kunst ihren Namen: Beuroner Kunst. Mit ihr wollten die Beuroner Benediktiner die christliche Kunst aus der Naturimmitation und Gefühlsgebundenheit lösen und sie zu einer dem christlichen Glauben und der Liturgie würdigen Form hinführen. Diese Gelegenheit ergab sich 1868, als der Architekt und Bildhauer Peter Lenz in Beuron war. Er hatte von Fürstin Katharina von Hohenzollern den Auftrag zum Bau und zur Ausstattung der Kapelle zu Ehren des hl. Abtes Maurus erhalten. Peter Lenz hatte seine eigene Kunsttheorie geschaffen. Er glaubte, mit Hilfe der „ästhetischen Geometrie“, den „heiligen Maßen“, einem eigenen „Kanon“ und den Zahlenproportionen der Ägypter eine „Heilige Kunst“ konstruieren zu können. Seine Gedanken sind in dem 1898 erschienenen Buch „Zur Ästhetik der Beuroner Schule”
Bildnachweis: Erzabtei St.Martin, Beuron
Zur Ausstattung der Mauruskapelle hatte Lenz seinen Malerfreund aus der Akademiezeit, Jakob Wüger, und dessen Schüler Fridolin Steiner hinzugezogen. Alle drei traten ins Kloster ein und bildeten eine Arbeitsgemeinschaft. Als größere Aufträge an diese Gruppe herantraten, besonders in Monte Cassino und in Prag, wurden alle künstlerischen Talente aus der Klostergemeinschaft herangezogen und unter die Leitung von Pater Desiderius (Peter) Lenz gestellt. Daraus entstand später die Beuroner Kunstschule. Für die Kirchenausmalung in St. Hildegard zeichnete Pater Paulus Krebs, ein Schüler von Pater Desiderius Lenz, verantwortlich.
Bildnachweis: Abtei St. Hildegard
Die künstlerischen Arbeiten verloren allerdings durch den Schulbetrieb und durch Fremdeinflüsse zunehmend an Qualität. Die Strenge wurde nach und nach zur Volkstümlichkeit gemildert; das Maß erstarrte immer mehr zum Schema. Man übernahm Formen und Motive aus frühchristlicher, byzantinischer und präraffaelitischer Kunst und aus dem Jugendstil. Auf dem Gebiet des kirchlichen Gerätes vermochte die ästhetische Geometrie zu reinigen und Form und Aufbau zu klären und zu vereinfachen. Werke der Beuroner Goldschmiedekunst bilden auch heute noch den Grundstock der Ausstattung von Kirche und Sakristei in Beuron. Einfluss auf die Zukunft hatten jedoch nur die ersten strengen Arbeiten von Pater Desiderius Lenz und besonders seine Kunsttheorie.
Quelle: Internetseite der Erzabtei Beuron: www. erzabtei-beuron .de
Die Erzabtei Beuron ist das Mutterkloster der Beuroner Kongregation, zu der auch die Abtei St. Hildegard gehört, und liegt im Donautal zwischen Tuttlingen und Sigmaringen. Bildnachweis: Abtei St. Hildegard, Rüdesheim
Eibingen als Vision eines beuronischen Gesamtkunstwerks (1898-1900)
Pater Desiderius Lenz (1832-1928), Protagonist und Lehrmeister der Beuroner Kunstschule, strebte nach dauerhaft gültigen, verbindlichen Gestaltungsprinzipien kirchlicher Kunst. Dazu gehörten ein programmatischer Bezug auf die Malerei des Alten Ägypten – für ihn die Urform aller Künste -, Stilisierung, Typisierung und Symmetrie sowie eigene Kanonstudien. Seit 1866/67 entwickelte Lenz in aufwendigen, immer wieder variierten Planungen seine Vision einer Idealkirche. Eine Möglichkeit, das ersehnte Gesamtkunstwerk des Glaubens im kleineren Maßstab zu realisieren, ergab sich 1898-1900 durch das Eibinger Klosterprojekt. Lenz’ Eibingen-Entwürfe waren phantasievoll und prächtig, aber auch sehr kostenintensiv und durch die offensichtlichen Ägyptizismen ikonographisch anstößig. Sie wurden daher nie realisiert.
Bildnachweis: Erzabtei St.Martin, Beuron n Lenz’ Entwürfen finden sich wesentliche Bauelemente der später realisierten Abteikirche, etwa der rechtwinklig ansetzende Nonnenchor. Darüber hinaus plante er eine weitläufige, dreischiffige, gewölbte Unterkirche, die offenbar zur Verehrung der Hildegard-Reliquien bestimmt war. Eingestimmt durch einen gemalten Prozessionszug auf den Außenwänden, hätte man diese Unterkirche direkt vom Klosterweg aus betreten. Auch entwarf Lenz einen kreisrunden Campanile mit Kapelle, der brückenartig mit der Kirche verbunden sein sollte.
Bildnachweis: Erzabtei St.Martin, Beuron Als Botschaft an die Welt gedacht, komponierte Lenz einen barmherzigen Christus auf die südliche Schmalseite der Kirchenfassade. An der Kirchenfassade selbst sollten knapp neun Meter hohe, streng stilisierte Engelsskulpturen aufragen. Die Mittelachse der Fassade diente der Verherrlichung Mariens. In der Eingangshalle erwartete die Gläubigen eine monumentale Sitzfigur der Maria mit Kind. Das Kircheninnere hätte eine festliche Folge gemalter Prozessionszüge, anbetend niederkniender und stehender Heiliger bestimmt – nach Beuroner Verständnis war dies „Liturgie im Bilde“. Am Ostende des Abteikomplexes, sollte sich eine kolossale ägyptisierende Sitzstatue befinden; ihre Bedeutung ist noch ungeklärt.
Bildnachweis: Erzabtei St.Martin, Beuron
Im März 1899 wurde Lenz vom Erzabt und von Maler-Mönchen in Beuron wegen seiner nicht-christlichen, womöglich Ärgernisse erzeugenden Darstellungen ermahnt. Daher tilgte P. Desiderius im Frühsommer 1899 die augenfälligsten Ägyptizismen aus seinen Eibingen-Plänen. Auch entwarf er nun eine schlichtere, basilikale Querschnittsfassade. Vollständig mit beuronischer Malerei überzogen, sollte diese der Verherrlichung Mariens als Jungfrau, Gottesmutter und Himmelskönigin dienen. Ikonographisch passend, war in der Apsiskalotte eine großformatige Darstellung der Marienkrönung geplant. An der Jahreswende 1899/1900 skizzierte Lenz ein letztes, erheblich schlichteres Abteiprojekt: Wie im Mutterkloster St. Gabriel in Prag, war die Eibinger Kirche nun einschiffig und mit seitlichem Kapellenannex projektiert.
Bildnachweis: Erzabtei St.Martin, Beuron
Erster Entwurf St. Hildegard, erster Entwurf Mai 1907 Einer der ersten farbigen Entwürfe für die Nordwand des Kirchenschiffs. Die oberen beiden Friese stellen einen Prozessionszug von Heiligen dar sowie zentrale Szenen aus der Heiligen Schrift. Im unteren Teil sind hier noch Szenen aus dem Leben des hl. Benedikt zu sehen. Diese Entwürfe wurden zu Gunsten eines Hildegardzyklus wieder aufgegeben. Wie bei den Beuroner Vorschlägen üblich, sind in einer Skizze verschiedene Variationen von Wandfassungen gleichzeitig zu sehen. Dies ist am unteren Teil der Wand (z.B. Kassettenausmalung) sichtbar.
Bildnachweis: Erzabtei St.Martin, Beuron