Monastische Spiritualität in der Welt: die Benediktiner-Oblaten

In wachsender Zahl suchen Menschen aller Altersstufen heute Verbindung mit benediktinischen Klöstern. Das geschieht auf ganz unterschiedliche Weise: als Gottesdienstbesucher, als Einzelgäste, als Teilnehmer an Besinnungstagen und Exerzitien oder durch stille Tage im Kloster. Sie alle gelangen dadurch in das Kraftfeld benediktinischen Lebens und spüren, daß die menschliche und geistliche Erfahrung des Mönchtums auch für ihr Leben in der Welt Wegweisung, Ordnung und Hilfe sein kann. Ihr Ziel ist es, an dem Platz, an den sie gestellt sind, „wahrhaft Gott zu suchen“ und ihr Leben nach seinem Wort auszurichten. Durch häufigere Kontakte lernen sie die Regel des hl.Benedikt näher kennen und dringen so immer tiefer in die benediktinische Spiritualität ein. Schließlich kann dieser Weg am Ende dazu führen, daß sie ihrer geistlichen Verbundenheit mit einem Kloster die Form der Oblation geben möchten.

Grundwerte der Regula Benedicti für ein Leben in der Welt

Die Benediktusregel ist sichtbarer und gelebter Ausdruck einer Mönchsspiritualität. Dennoch wurde sie im christlichen Abendland in ihren Grundhaltungen schon sehr früh auch als richtungweisend für eine Laien- bzw. Weltspiritualität erkannt. Unverwechselbares Zeichen dafür sind die Oblaten der Klöster.

Ein Oblate versucht, mit Hilfe und in Verbundenheit mit seinem Kloster die Elemente der Mönchsspiritualität, wie sie in der Benediktusregel grundgelegt sind, schöpferisch auf seine konkrete Lebenssituation hin zu übersetzen. Seine Berufung in der Welt läßt ihm einen gewissen freien, charismatischen Raum, der z.B. gerade auch verheirateten Menschen die Möglichkeit eines öffentlichen kirchlichen Aktes der Hingabe an Gott gibt.

Wie vom Klosterkandidaten, so wird auch vom Oblaten als Grundvoraussetzung erwartet, daß er bereit ist, in allen Dingen „wahrhaft Gott zu suchen“ (RB 58,7), d.h. daß er überall und in jeder Lage Gott auf der Spur bleiben muß. Der Novizenmeister bzw. der Oblatenrektor/die Oblatenrektorin wird prüfen, ob der Kandidat Eifer für den Gottesdienst hat, für den Gehorsam und für das „Widerwärtige“, was ihm auf seinem Weg begegnet (RB 58,7). Ein Oblate stellt sich vor allem die Frage, ob er dem Gebet und der Teilnahme am kirchlichen, sakramentalen Leben Priorität einräumen und so dem Gottes-Dienst nichts vorziehen will (RB 43,3). Er verlangt danach, ein hörender Mensch zu werden, um in allen Geschehnissen und Wechselfällen des täglichen Lebens das einladende und einfordernde Wort Gottes vernehmen zu können und sich im Gehorsam daran zu binden. Dabei hilft ihm die Kraft innerer und äußerer Schweigsamkeit, die ihn hör- und empfangsbereit macht und auch zu einer Kultur des rechten Redens führt. Schließlich sollte er sich auch prüfen, ob er im Vertrauen auf die Hilfe Gottes das Kreuz Christi in die Mitte seines Lebens setzen möchte, d.h. ob er Schmerz, Verzicht, Verlust, Loslösung und alles Widrige im Leben in der Nachfolge seines Meisters Jesus Christus anzunehmen und womöglich lieben zu lernen bereit ist.

Da die Mönchsgelübde nichts anderes darstellen wollen als die gelebte Ganzheit des Evangeliums, können die benediktinischen Gelübde der Stabilitas (Beständigkeit), der Conversatio morum (Umkehr) und der Oboedientia (Gehorsam) auch für ein konsequentes christliches Leben in der Welt richtungweisend sein. Dem Oblaten ist es deshalb zunächst ein Anliegen, aus diesem Geist heraus die Beständigkeit, die alle Kräfte der Hingabe und Treue in Bewegung setzt, zum Fundament seines Lebens zu machen. Er weiß, daß er eine Erdung braucht, eine Heimat, Wurzeln, ohne die er sich den Grundfragen des Lebens nicht stellen kann. Er möchte fähig werden, sich mit sich selbst zu konfrontieren, nicht auszuweichen oder seine Lebenserfüllung in dauernder Abwechslung oder Flucht vor sich selbst zu suchen. So lernt er, das tägliche Einerlei anzunehmen und seine Durchhaltekraft in den Anstrengungen und Einforderungen des Alltags unter Beweis zu stellen. Entscheidend für seinen Weg ist es, seinen zentralen Angelpunkt zu finden, um von dort ausgehend ganz bei sich und bei Gott zu wohnen. Dies alles ist Sache des Herzens und damit nicht an einen bestimmten Ort oder ein bestimmtes Kloster gebunden.

Wenn ein Oblate das Gelübde der beständigen Umkehr in sein Leben integrieren möchte, dann wird er darüber hinaus nach und nach in der Flexibilität des Gehorsams die Bereitschaft zu ständigem Wandel und ständigem Neubeginn entwickeln – als Gegengewicht zu einer falsch verstandenen Stabilität, die zur Erstarrung und zum Beharren verführen kann. Er bleibt beständig auf dem Weg und stellt sich so in der „Gymnastik des Augenblicks“ den Forderungen von Wachstum und Reifung. Das schließt Korrekturen, Einsicht in das eigene Fehlverhalten und eine Kultur der Buße mit ein.

Benediktinische (Welt-)Spiritualität führt in ganz besonderer Weise zur Haltung der Ehrfurcht allem und jedem gegenüber. Darin liegt die Schönheit und Einzigartigkeit, aber auch die bleibende und allgemeingültige Aktualität der Benediktusregel. Es geht dabei nicht nur um das rechte Verhältnis zum Mitmenschen, sondern auch um den ehrfürchtigen Umgang mit den Dingen der Schöpfung und der Welt. Alles soll – so der hl.Benedikt – wie heiliges Altargerät betrachtet (RB 31.10) und mit Ehrfurcht, Liebe und Güte behandelt werden. Eine andere geistliche Grundhaltung, die der Benediktusregel über Jahrhunderte hinweg ihre Vitalität bewahrt hat, ist die weise Maßhaltung. Sie befähigt den Menschen, in allen Situationen das rechte Augenmaß zu bewahren und durch die Prüfung und Unterscheidung der Geister in der Komplexität des Lebens die richtigen Entscheidungen zu treffen. Schließlich betont der hl.Benedikt die Demut als grundlegende Geisteshaltung, um die sich der gottsuchende Mensch bemüht, und in der er auch die ganz gewöhnlichen Dinge des Alltags gesammelt und aufmerksam zur Ehre Gottes verrichtet. So wird auch der Oblate auf vielfältige Weise bereitet, sein Leben in die eigenen Hände zu nehmen und vertrauensvoll in die Hände Gottes zu legen. Die Ordensregel, nach der er sein Leben ausrichten möchte, vermittelt ihm dabei nicht so sehr ein Wissen als vielmehr eine Kraft, die aus dem Gebet und dem Schweigen unserer Vorväter und Altväter erwachsen ist.

Jede Laienspiritualität ist eine Sendung in sich. Der Oblate erfährt sich als Gerufener und legt Zeugnis von seinem Glauben ab, wohin immer er gestellt ist. Er wird seine Kräfte vor allem in den Dienst der Kirche stellen, der er sich zutiefst verbunden fühlt und die er als die eigentliche Mater et Magistra erfährt.

Der Weg zum Benediktiner-Oblaten/zur Benediktiner-Oblatin

Der Name Oblate stammt vom lateinischen Wort oblatus, d.h. der Hingegebene, der Aufgeopferte, der Dargebrachte, der An-Gott-Verschenkte. Schon in diesem Namen liegt also ein grundlegendes christliches Programm. Der Christ möchte seine Taufgelübde in der Nachfolge Christi bewußt leben, um so zur immer volleren Einheit mit Gott zu gelangen, auf daß er, Gott, schließlich alles in allem werde.

Benediktiner-Oblaten/Benediktiner-Oblatinnen gehen den Weg der Nachfolge in bewußter Bindung an ein bestimmtes Kloster und lassen sich dabei von der Benediktusregel führen und prägen. Sie verstehen sich als eine Ausweitung der klösterlichen Gemeinschaft und setzen ihrerseits in ihrem jeweiligen Lebensbereich die Sendung des Klosters in die Welt hinein fort. Untereinander sind sie aufgrund der gleichen Berufung durch Bande der Freundschaft und Geschwisterlichkeit verbunden, ohne daß sich dies in vereinsrechtlichen Strukturen niederschlagen würde.

Die Berufung zum Oblaten darf jedoch nicht als ein verkürztes Mönchsleben oder als Mönchtum mit weniger Verpflichtungen, sondern muß als eigenständige Form der Berufung betrachtet werden. Der Oblate bindet sich in der Oblation nicht so sehr an den Gesamtorden, sondern an „seine Abtei“; die Oblation ist dabei ein öffentlicher kirchlicher Akt. Die Verbundenheit zwischen dem Oblaten und „seinem Kloster“ besteht vor allem in der Gebetsgemeinschaft, wobei der Oblate nach Maßgabe seiner Lebensumstände einen Teil des kirchlichen oder monastischen Stundengebetes mitvollzieht. Das Kloster seinerseits bietet durch den/die OblatenrektorIn und andere Mitbrüder/-schwestern Einkehrtage, regelmäßige Kontakte durch Rundschreiben und eine kontinuierliche geistliche Begleitung an und wird seinerseits durch die Verbundenheit mit seinen Oblaten auf vielfältige Weise beschenkt.

Wer kann Benediktiner-Oblate werden? Grundsätzlich besteht dieses Angebot für alle katholischen Christen, Verheiratete und Unverheiratete, Priester oder Diakone. Die Hinführung zur Oblation erfolgt in verschiedenen Schritten: Wer Oblate oder Oblatin werden möchte, sucht zunächst die Möglichkeit, mit dem Oblatenrektor Kontakt aufzunehmen. Zur gegebenen Zeit kann mit Zustimmung des Abtes/der Äbtissin durch einen kurzen Aufnahmeritus eine Probezeit von etwa einem Jahr beginnen. In diesem „Noviziatsjahr” wird der Kandidat mit der Regel des hl.Benedikt und mit den Grundzügen der monastischen Spiritualität vertraut gemacht . Stimmt der Abt nach Rücksprache mit dem Oblatenrektor dann der Bitte des Kandidaten zu, kann die Oblation stattfinden. Die Oblation ist also eine Berufung durch Gott, die beiderseitig geprüft wird. Sie wird so zur ganz persönlichen Lebensentscheidung und bedeutet nicht nur die Aufnahme in den „Freundeskreis“ einer Benediktinerabtei.
Benedikt hat keine Regel für einen „Dritten Orden“ geschrieben. Das Oblatentum hat sich aus dem Text des 59.Kapitels der Regel entwickelt und ist damit eine in der Benediktusregel selbst verankerte Lebensweise. Gerade heute, in einer Zeit allgemeiner Orientierungslosigkeit kann ein Leben als Oblate allen, die nach der Benediktusregel fragen und in ihr eine erprobte Schule des Glaubens suchen, Weisung, Halt und ein Zuhause bei Gott schenken.

P.S. Wer weitere Informationen sucht oder direkt mit unserer Oblatenrektorin Kontakt aufnehmen möchte, möge sich bitte an
Sr. Lydia Stritzl wenden.
Tel: 06722 / 499 – 114
Email: sr.lydia@abtei-st-hildegard.de