“Scivias”-Kodex: Tafel 11: Die wahre Dreiheit in der wahren Einheit
„Der Mensch unterlasse nicht, mich, den einzigen Gott, in diesen drei Personen anzurufen. Ich habe sie dem Menschen geoffenbart, dass er um so heißer in der Liebe zu mir entbrenne, da ich ihm zuliebe meinen Sohn in die Welt sandte.“ (Sc II,2)
Hildegard schaute „ein überhelles Licht und darin eine saphirblaue Menschengestalt, die durch und durch im sanften Rot funkelnder Lohe brannte.“ Die Bildebene der Vision bringt am schönsten zum Ausdruck, wie sich die drei göttlichen Personen in ihrer Einheit gegenseitig durchdringen, ohne aufzuhören, Person zu sein, schreibt Michael Zöller in „Gott weist seinem Volk seine Wege“
Die Miniatur zeigt inmitten einer goldfarbenen Kreisfläche, umgeben von breitem silbernen Rand, die saphirblaue Menschengestalt. Von oben einströmendes Licht hebt deren Umrisse hervor. Es ist Jesus Christus, der Erlöser; eins mit dem Vater und dem Heiligen Geist. Seine Hände nehmen die Gebetshaltung des Empfangens des Vaterwillens im Gehorsam und in der Ehrfurcht an. Der überhelle Lichtkreis bezeichnet den Vater, der in der Miniatur den Schmuckrand durchbricht. Er ist der Urquell allen Seins, ohne Ursprung, Fülle des Lichtes. In ihm ist der Sohn, der vor aller Zeit seiner Gottheit nach vom Vater gezeugt, doch dann in der Zeit, gemäß der Menschheit Fleisch wurde, doch sich nie von ihm trennte in der Zeit. Er ist die Fülle der Fruchtbarkeit. Die Goldscheibe mit den Wellenlinien in der Miniatur verweist auf den Heiligen Geist als funkelndes Feuer, der Leben allen Lebens ist, ohne Dürre finsterer Sterblichkeit. Das überhelle Licht, das rötliche Feuer, die saphirblaue Menschengestalt bilden ein einziges Licht in gleicher Kraft und Stärke. Dabei vermischen sich die drei göttlichen Personen nicht, sondern jede der Personen wahrt in der Gottheit ihre Identität.
Hildegard wird noch mehr erklärt, wie die Dreifaltigkeit in einer Gottheit zu betrachten ist, das im Bild nicht zum Ausdruck kommt. Dreiheit und Einheit in Gott bilden sich in der Schöpfung und in den Geschöpfen ab. Sie spricht von den drei Kräften des Steines, der Flamme und des Wortes.
Der dreifaltige Gott offenbart sich den Menschen als seinen Geschöpfen aus Liebe. Als „die umarmende Mutterliebe Gottes“ nährt das Wort Gottes die Menschen zum Leben. „So erkenne, o Mensch, den einen Gott in drei Personen, der dich in der Kraft seiner Gottheit erschaffen und dich vor dem Verderben gerettet hat. Vergiß nicht deines Schöpfers, umarme Gott im Licht deiner Lebenskraft, bevor die Stunde der Läuterung deiner Werke kommt, da alles offenbar wird.“
„Lob sei der Dreieinigkeit! Sie ist Klang und Leben, Schöpferin des Alls,
Lebensquell von allem, Lob der Engelscharen,
wunderbarer Glanz all des Geheimen, das den Menschen unbekannt,
und in allem ist sie Leben“ ( Lied: Laus Trinitati)
Sr. Hiltrud Gutjahr OSB