Impuls zur Fastenzeit

In der Fastenzeit vor Ostern sind wir zu innerer Erneuerung und zur Besinnung auf das Wesentliche eingeladen. Körperlich und geistig einmal so richtig entschlacken; hautnah erfahren, dass weniger mehr sein kann; selbstgezimmerte Götzen und Abhängigkeiten einmal loslassen – das könnte ein Programm sein, um einmal wieder, zumindest auf Zeit, frei zu werden von sich selbst – oder, um es mit einem Wort der Heiligen Schrift zu sagen, die Freiheit der Kinder Gottes wieder tiefer zu erfahren. Ich möchte Sie einladen, die Fastenzeit einmal zu nutzen, um ganz persönlich innezuhalten und eine eigene kleine Lebensbilanz zu erstellen. Stellen Sie sich dazu zunächst vor, dass Ihre Lebensuhr heute Nacht um 24.00 Uhr unwiderruflich abläuft. Vielleicht kommen Ihnen angesichts dessen folgende Gedanken: Gut, dass ich dies oder jenes in meinem bisherigen Leben erreicht und verwirklicht habe, dass ich dies erlebt und jenem Menschen begegnet bin. Fragen Sie sich nun in aller Ruhe: Wen oder was habe ich geliebt? Welche Werte waren mir wichtig? Welche Erfahrungen sind mir die wertvollsten? Welche Einsichten habe ich in meinem bisherigen Leben gewonnen oder auch überwunden? Welche Leiden habe ich tapfer durchgestanden? Was habe ich vielleicht bereut und welche Lehren hat mir das Leben erteilt? Machen Sie sich ruhig spontan ein paar Notizen dazu. Überlegen Sie dann, wofür Sie nun leider keine Zeit mehr haben. Was ist ungesagt und unausgesprochen geblieben in Ihrem bisherigen Leben? Welche Werte hätten Sie gerne noch verwirklicht? Welches sind Ihre unerfüllten Wünsche und Sehnsüchte? Wem hätten Sie vielleicht noch danken wollen? Auch hier sollten Sie sich das, was Ihnen spontan in den Sinn kommt, kurz notieren. In einem dritten Schritt wird nun die Voraussetzung, unter der unsere Lebensbilanz bisher stand, aufgehoben. Heute ist nicht der letzte Tag Ihres Lebens, sondern vielmehr der erste vom Rest Ihres Lebens. Angesichts dessen gilt nun: schieben Sie das, was Ihnen zum zweiten Teil der Fragen in den Sinn gekommen ist, nicht allzu lange auf! Tun Sie es bald, nutzen Sie die Zeit, die Ihnen geschenkt ist, und leben Sie bewusst – im Jetzt, im Hier und im Heute, im Augen-Blick Gottes. Übrigens: eine Lebensbilanz kann man ruhig öfter einmal ziehen. Sie werden sehen: das Leben wird anders, es wird ganz neu und ganz spannend. Und wir spüren auf einmal wieder, was unser Menschsein ausmacht: Bewusstsein, Freiheit und Verantwortung.

Sr. Philippa Rath