Das Pergamentfaksimile der Prachthandschrift, die den Text des ersten Visionswerkes Hildegards von Bingen, Liber Scivias, mit farbigen Miniaturen enthält, wurde in den Jahren 1927–1933 in der Abtei St. Hildegard, Eibingen angefertigt.
Jetzt ist die wertvolle Handschrift erstmals über die St. Hildegard-Akademie Eibingen auf dieser Homepage öffentlich zugänglich: https://www.hildegard-akademie.de/de/projekte/scivias-codex-digital.html
Die Originalhandschrift wurde im 12. Jahrhundert im Kloster der hl. Hildegard auf dem Rupertsberg wahrscheinlich bereits um 1165 hergestellt. An dem mit Miniaturen ausgestatten Codex mit 235 Pergamentblättern arbeiteten drei Schreiber und noch weitere Rubrikatoren. Bis ins 17. Jahrhundert befand sich die Illuminierte Prachthandschrift auf dem Rupertsberg. Nach der Zerstörung des Klosters wurde sie in das Kloster Eibingen gerettet. In der Folge der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts wurde jedoch das Kloster Eibingen aufgelöst, die Handschrift gelangte in den Besitz der damaligen Zentralen Regierungsbibliothek Wiesbaden, die später in Hessische Landesbibliothek umbenannt wurde.
Als das Kloster der hl. Hildegard in den Jahren 1900–1904 neu gegründet wurde, waren die Nonnen bemüht, auch das geistige Erbe von Rupertsberg und Eibingen wieder neu zu beleben. In diesem Kontext entstand das Pergamentfaksimile des Scivias-Codex. Dazu wurde er aus der Landesbibliothek für 14 Monate, vom April 1927 bis Juni 1928, zur Ausleihe in die Abtei gebracht. Das Vorhaben, eine getreue Kopie des Codex zu erstellen, verlangte vielfältigen Aufwand. Drei Nonnen haben sich den Schreibstil der Schreiber aus dem 12. Jahrhundert angeeignet, Pergamentblätter, Farben und Blattgold wurden mit Unterstützung von Wohltätern besorgt.
Während der Arbeiten am Faksimile in den 20er-30er Jahren konnte niemand ahnen, dass die Originalhandschrift später im Zweiten Weltkrieg verschollen werden wird. Um die wertvolle Handschrift vermeintlich in Sicherheit zu bringen, wurde sie, zusammen mit dem sogenannten Riesencodex (Wiesbaden, Hochschul- und Landesbibliothek RheinMain, ehemals: Wiesbaden, Hessische Landesbibliothek, Hs 2), im Jahre 1942 nach Dresden gebracht. Obwohl der Tresor, in dem die Prachthandschrift aufbewahrt wurde, den Bombenangriff auf Dresden überstanden hat, ist die Handschrift spurlos verschollen. Allein der Riesencodex konnte gerettet werden.
Somit gilt das handfertigte Pergamentfaksimile nach dem Verlust der Handschrift aus dem 12. Jahrhundert als „Original“ und vermittelt den Reichtum der Farben und die Schönheit der Prachthandschrift