„Der Mensch soll es niemals vergessen, mich, den Einen Gott, in diesen drei Personen anzurufen; denn deshalb habe ich sie dem Menschen offenbart, damit er umso glühender in Liebe zu mir entbrenne, da ich ja aus Liebe zu ihm meinen Sohn in die Welt gesandt habe.“                                                                                                                                                                                                                           Hildegard von Bingen

 

Wohl kaum eine andere Miniatur aus der großen Visionsschrift „Scivias – Wisse die Wege“ der heiligen Hildegard ist so kühn in der Darstellung, so ausdrucksstark, so bewegend und so faszinierend wie die bildgewordene Vision der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Sie sprengt nicht nur den Rahmen des Bildes, sondern auch meine eigene Vorstellung und Bilderwelt. Gerade darin gelingt es ihr, mir das Trinitarische Geheimnis ganz neu, ganz überraschend und ganz lebendig nahe zu bringen.

„Ich schaute ein überhelles Licht und darin eine saphirblaue Menschengestalt, die durch und durch in funkelndem Feuer brannte. Das Licht durchflutete das Feuer und das Feuer ganz das helle Licht. Beide durchdringen die Menschengestalt: alle drei eine einzige Lichtfülle, wesend in einer Kraft und in einer Macht.“

Welch ein dynamisches Gottesverständnisses kommt hier zum Ausdruck. Da ist nichts Statisches, nichts Starres. Das Trinitätsdogma wird in Hildegards Vision vielmehr ganz „undogmatisch“ lebendig. Das war ja ihr besonderes Charisma, ihre ganz große Stärke: sie verstand es, die Lehre der Kirche in Bilder umzusetzen und uns so einen ganz neuen Zugang zum Geheimnis Gottes zu vermitteln.

Alles ist in dieser Dreifaltigkeitsvision in Bewegung und voller Leben. Und dennoch strahlt das Bild eine große Ruhe aus. Gott selbst ist das wunderbare Licht, das alles durchstrahlt und durchleuchtet; die innere Kraft, die alles bewegt; der sprudelnde Lebensquell, der alles durchflutet. Er umfängt das gesamte All und kommt uns Menschen doch zugleich ganz nah. Er kommt uns entgegen in der Gestalt seines Sohnes, der – in der Orante-Haltung verharrend – IHN, seinen Vater anbetet und verherrlicht. Christus in der saphirblauen Menschengestalt ist mir als Betrachter des Bildes frontal zugewandt. Er schaut mich an und schaut doch zugleich ganz nach innen. Er ist ganz eins mit dem Vater, ganz umhüllt von seinem, dem göttlichen Licht. Der Heilige Geist schließlich, der die Herzen entzündet und bewegt, ist lebensspendender Hauch, hellleuchtendes pulsierendes Feuer, das alles umkreist und in Liebe entbrennt. Sie, die Liebe, ist das einende Band der drei göttlichen Personen. Sie ist die Urkraft, die die Welt und den Kosmos, die alles Leben zusammenhält.

Das Gottesbild der heiligen Hildegard, das in dieser Vision einen so lebendigen Ausdruck findet, ist ganz und gar dialogisch. Gerade darin wird es uns so vertraut. Die frühe Kirche kannte die Trinitarische Gebetsformel: „Ehre sei dem Vater durch den Sohn im Heiligen Geist“. Das gleichgeord-nete Nebeneinander der drei göttlichen Personen wird hier durch die Besonderheit der jeweiligen göttlichen Person und deren je individueller Wirkweise ergänzt. Dadurch entsteht die wahre Einheit in der Dreiheit –  das göttliche Geheimnis von Vater, Sohn und Geist, das wir nie ganz begreifen können, dem wir uns nur in Staunen und Anbetung, in Lob und Dank immer neu nähern können.

Bildnachweis:  Miniatur aus dem Rupertsberger Scivias-Kodex der heiligen Hildegard von Bingen, um 1175, Original verschollen, Handkopie auf Pergament, um 1930 Abtei St. Hildegard, Rüdesheim/Eibingen

 

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Trotzdem

  • Sind Sie aus der Kirche ausgetreten und trotzdem gläubige Christen geblieben?
  • Sind Sie auf Distanz zur Kirche gegangen und trotzdem Suchende?
  • Sind Sie von der Institution oder einzelnen Vertretern verletzt worden und wollen trotzdem nicht aufgeben?
  • Haben Sie vielleicht ihren Glauben gänzlich  verloren, sind aber trotzdem auf der Suche nach Sinn? 

Dann seien Sie uns herzlich willkommen!

Wir Schwestern von der Abtei St. Hildegard möchten Ihnen einen Raum bieten, wo sie mit Gleichgesinnten zusammentreffen können, wo Sie sich Ihre Sorgen, Ihre Enttäuschungen und Ihren Frust frei von der Seele reden können, wo Ihnen jemand vorurteilsfrei zuhört, wo Sie sich geschwisterlich angenommen fühlen dürfen, und wo sich für Sie vielleicht neue Perspektiven eröffnen.

Wir laden Sie ein: zu Zeiten des Austauschs, zu Zeiten der Stille, zu Zeiten für alles Mögliche, vielleicht auch für  Gebet. 

Ihre Sr. Petra Knauer und Sr. Philippa Rath

Wir treffen uns am: 07. März, 11. April, 09. Mai, 13. Juni, 11. Juli, 08. August, 05. September, 10. Oktober und 04. Dezember 2025,  jeweils um 15.00 Uhr an der Klosterpforte der  Abtei St. Hildegard, 65385 Rüdesheim am Rhein.

Anmeldung bitte direkt bei sr.petra@abtei-st-hildegard.de oder sr.philippa@abtei-st-hildegard.de