Die Abtei St. Hildegard, von manchen irrtümlicherweise für ein romanisches Bauwerk gehalten, wurde erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts, näherhin in den Jahren 1900 bis 1904 erbaut. Wir verstehen uns dennoch als Gründung der hl. Hildegard, knüpft die Tradition unseres Hauses doch unmittelbar an deren altes Kloster Eibingen im Rheingau an.
Im Jahr 1150 hatte Hildegard von Bingen ihr erstes Kloster Rupertsberg an der Nahemündung erbaut. Als die Zahl der Ordensberufungen stetig zunahm und immer mehr junge Frauen sich um sie scharten, erwarb Hildegard im Jahr 1165 das ehemalige Augustiner-Doppelkloster Eibingen bei Rüdesheim. Sie übernahm auch die Leitung der Eibinger Neugründung und fuhr bis zu ihrem Tod zweimal wöchentlich über den Rhein, um ihr Tochterkloster zu besuchen. Nach dem Tode der hl. Hildegard am 17. September 1179 entwickelten sich die Klöster Rupertsberg und Eibingen ganz gemäß dem Gezeitenlauf der Geschichte: Blütezeiten klösterlichen Lebens wechselten sich mit Zeiten des Niedergangs ab.
In den Wirren des Dreißigjährigen Krieges wurde das Kloster Rupertsberg 1632 durch die Schweden zerstört. Die Nonnen mussten fliehen, kehrten aber 1636 auf den Rupertsberg zurück. Die Klostergebäude waren jedoch in einem so schlechten Zustand, dass an einen Wiederaufbau nicht zu denken war. So sahen sich die Rupertsberger Nonnen gezwungen, im Kloster Eibingen Zuflucht zu suchen. 1642 legte die letzte Rupertsberger Äbtissin, Anna Lerch von Dürmstein, ihr Amt nieder. Die folgenden 150 Jahre waren von vielerlei Nöten geprägt. Hungersnot, Pest, Kriege und Verwüstungen suchten das Kloster Eibingen heim. Im Jahre 1803 wurde das Kloster im Zuge der Säkularisation aufgehoben; sämtliche Besitzungen gingen verloren. Das klösterliche Leben in Eibingen war damit erloschen. Die Klosterkirche wurde von der Pfarrgemeinde übernommen. Noch heute werden deshalb die Reliquien der hl. Hildegard in der Pfarrkirche in Eibingen verehrt. Um die Pilger und Wallfahrerseelsorge in Eibingen kümmert sich seit dem Jahr 2002 eine Schwester der Abtei St.Hildegard. Auf diese Weise sind das alte und das neue Kloster Eibingen heute wieder ganz konkret miteinander verbunden.
Plan einer Neugründung
Der Plan zur Gründung eines neuen Klosters, welches das alte Kloster Eibingen wieder beleben und zugleich auf das im Jahr 1632 von den Schweden zerstörte Kloster Rupertsberg zurückgreifen sollte, ist Bischof Peter Josef Blum von Limburg (1842 – 1883) zu verdanken. Durch ihn und durch Ludwig Schneider, der von 1840 bis 1864 Pfarrer in Eibingen war, erhielt die Verehrung der hl. Hildegard im 19. Jahrhundert neue und entscheidende Impulse. Bischof Blum, der während des Kulturkampfes in den Jahren 1876 bis 1883 seines Bischofssitzes enthoben war, fand damals Aufnahme bei Fürst Karl zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg auf Schloß Haid in Böhmen. Auch sein Nachfolger, Bischof Dr. Karl Klein, war der fürstlichen Familie eng verbunden und weihte sie von Anfang an in seine Pläne zur Wiederbelebung des alten Klosters Eibingen ein. Der Fürst griff den Gedanken begeistert auf, denn es lag ihm daran, das säkularisierte Kirchengut, das seiner Familie durch den Reichsdeputationshauptschluß im Jahr 1803 zugefallen war, auf diese Weise zurückzuerstatten. Seine älteste Tochter Benedicta, Nonne der Abtei St. Cécile in Solesmes/Frankreich, sollte die erste Äbtissin der wiederzugründenden Abtei werden. Als sie am 2. Juli 1896 im Alter von nur 36 Jahren unerwartet starb, blieb Fürst Löwenstein dennoch bei seinem Vorhaben und scheute für die Wiedererrichtung des Klosters keine finanziellen und persönlichen Opfer.
Die Abtei St. Hildegard sollte auf der Anhöhe über dem Dorf Eibingen neu entstehen. Das Baumaterial – ein von Quarzit durchsetzter Sandstein – wurde aus dem Felsen oberhalb des Bauplatzes gewonnen. Planung und Durchführung des Neubaus standen unter Leitung von P. Ludger Rincklage, einem Mönch der Abtei Maria Laach, der früher Architekt gewesen war. Am 2. Juli 1900 fand die Grundsteinlegung des neuen Klosters durch Erzabt Placidus Wolter aus Beuron statt, der in Vertretung des erkrankten Bischofs Dominikus Willi an den Rhein gekommen war.
Beginn des klösterlichen Lebens
Nach vier Jahren war der monumentale Bau im wesentlichen fertiggestellt. Am 17. September 1904 zogen 12 Benediktinerinnen aus der Abtei St. Gabriel in Prag, dem ersten Frauenkloster der Beuroner Kongregation, in die Neugründung ein. Das Kloster wurde am selben Tag zu einer vollgültigen Abtei erhoben und mit allen Rechten und Privilegien des ehemaligen Klosters der hl. Hildegard ausgestattet. Als „exemte“ Abtei untersteht es nicht dem Ortsbischof, sondern unmittelbar dem Hl. Stuhl in Rom. Am 7. September 1908 war die Ausmalung der Kirche durch P. Paulus Krebs, Beuron, und seine Schüler so weit vorangeschritten, dass die Kirche durch den Limburger Bischof Dominikus Willi geweiht werden konnte. Am Tag nach der Kirchweihe, am 8. September 1908, wurde die bisherige Priorin des Kloster, Regintrudis Sauter, zur ersten Äbtissin der klösterlichen Gemeinschaft geweiht. Sie war damit die 36. Nachfolgerin der hl. Hildegard, unter deren besonderen Schutz Abtei und Kirche gestellt wurden.
In den folgenden Jahren nahm die Zahl der Ordensfrauen stetig zu. Den Ersten Weltkrieg 1914 – 1918 und die Nachkriegszeit mit der Inflation überstand die Gemeinschaft mit Gottes Hilfe und dank der klugen Leitung des Hauses relativ gut. In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg (1918 – 1939) wurde der bis dahin nur im Rohbau vorhandene Ostflügel der Abtei endlich fertiggestellt. Noviziatstrakt und Kapitelsaal konnten ihrer Bestimmung übergeben werden.
Die Abtei St. Hildegard im Zweiten Weltkrieg
Die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft und der Zweite Weltkrieg brachten für die klösterliche Gemeinschaft der Abtei St. Hildegard schwere Prüfungen mit sich. Schon im Mai 1941 hatte Äbtissin Regintrudis Sauter einen Teil der Abtei als Lazarett sowie 20 Mitschwestern zur Pflege der Verwundeten und für Verwaltungsarbeiten der Wehrmacht zur Verfügung gestellt – in der Hoffnung, so die Abtei vor der Auflösung retten zu können. Diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Am 2. Juli 1941, dem 41. Jahrestag der Grundsteinlegung, erfolgte die Ausweisung der 115 Nonnen durch die Geheime Staatspolizei (Gestapo). Unsere Mitschwestern mussten ihr Kloster verlassen, der Klosterbesitz wurde enteignet.
Der größte Teil der Gemeinschaft fand Aufnahme in caritativen Ordenseinrichtungen, vor allem bei den Kongregationen von Waldbreitbach und Dernbach sowie bei den Borromäerinnen in Bingen. In deren Krankenhäusern waren die Eibinger Schwestern während der verbleibenden Kriegsjahre auf Pflegestationen und in anderen Arbeitsbereichen tätig. Ein kleiner Teil unseres Konventes blieb in St. Hildegard, um als Rote-Kreuz-Helferinnen Verwundete zu pflegen bzw. um die hauswirtschaftlichen Arbeiten des Lazaretts mit seinen 100 – 130 Verwundeten zu besorgen. Im November 1944 wurde Rüdesheim durch einen Bombenangriff weitgehend zerstört, das Kloster blieb jedoch verschont. Da aber das Hauptlazarett und der Operationssaal in Eibingen ein Opfer der Bomben geworden waren, erhöhte sich die Bettenzahl im „Teillazarett Kloster Eibingen“ auf 325. Wenige Wochen vor Kriegsende, am 19. März 1945, wurde das Lazarett im Kloster Eibingen aufgelöst. Einige Tage später zogen amerikanische Truppen in Rüdesheim ein. Bald darauf erfolgte die Rückerstattung des Besitzes an die Abtei. In einem Teil des Klosters fanden ältere, durch die Bombardierung Rüdesheims obdachlos gewordene Bürger der Stadt sowie Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten für zehn Jahre Unterkunft.
Die Entwicklung der Abtei nach 1945
Bis zum 2. Juli 1945 – wiederum dem Jahrestag der Grundsteinlegung – waren die Gebäude der Abtei von vereinzelt bereits heimgekehrten Schwestern und vielen freiwilligen Helfern so weit instandgesetzt, dass auch die letzten der vertriebenen Schwestern heimkehren konnten. Am 2. Juli wurde das klösterliche Leben unter Leitung der inzwischen 80jährigen, aber immer noch tatkräftigen Äbtissin Regintrudis Sauter wieder aufgenommen. Manche junge Frau bat nun um Aufnahme in die Abtei, so dass durch den steten Zuwachs auch der innere Aufbau der Gemeinschaft neu beginnen konnte. Für die während des Krieges konfiszierten Glocken konnten am 1. Juli 1952 vier neue Glocken durch den Abt von Maria Laach, Basilius Ebel, gesegnet werden.
Am 4. August 1955 legte Äbtissin Regintrudis Sauter nach 47 Amtsjahren 90-jährig ihr Amt nieder. Zu ihrer Nachfolgerin wurde am 8. August Frau Fortunata Fischer gewählt. Sie erhielt am 17. September 1955 durch Weihbischof Walther Kampe, Limburg, die Weihe für ihr Amt. Die Amtszeit von Äbtissin Fortunata Fischer war durch einige wesentliche Neuerungen gekennzeichnet. Im Jahr 1967 wurden die bisherigen beiden Konvente der Chorfrauen und Laienschwestern zu einer Gemeinschaft vereinigt. Der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils entsprechend wurden Altarraum und Nonnenchor der Kirche umgestaltet. Beides fand seinen Abschluss in der feierlichen Altarweihe am 7. September 1967. Im darauffolgenden Jahr konnte eine neue Orgel eingebaut werden. Die hohen schmiedeeisernen Gitter, die bis dahin die Klausurgrenze zwischen Chor und Kirche sowie in den Sprechzimmern markiert hatten, wurden entfernt.
Am 8. August 1978 legte Frau Äbtissin Fortunata Fischer ihr Amt nieder. Als dritte Äbtissin von „Neu-St. Hildegard“ folgte ihr am 17. August 1978 durch Wahl der Gemeinschaft Sr. Edeltraud Forster, die damit die 38. Nachfolgerin der hl. Hildegard war. Die kirchliche Weihe für ihren Dienst empfing sie am 15. September 1978 durch Bischof Dr. Wilhelm Kempf, Limburg. Eines der wichtigsten Daten ihrer Amtszeit war der 5. Mai 1988. An diesem Tag besiedelten zehn Schwestern des Eibinger Konventes die ehemalige Zisterzienser-Abtei Marienrode bei Hildesheim und nahmen nach 180-jähriger Unterbrechung eine lange monastische Tradition in Niedersachsen wieder auf. 84 Jahre nach Wiederbegründung der Abtei St. Hildegard haben das benediktinische Leben und die Geistes- und Gedankenwelt der hl. Hildegard damit für unsere Zeit erneut Früchte getragen. Zehn Jahre später, am 5. Mai 1998, wurde das Tochterkloster Marienrode in die Selbständigkeit entlassen und Sr. Maria-Elisabeth Bücker von Äbtissin Edeltraud Forster für die Dauer von vier Jahren zur Priorin-Administratorin ernannt. Im selben Jahr, am 21. September 1998, nach Abschluss des großen, ereignis- und segensreichen Jubiläumsjahres zum 900. Geburtstag der hl. Hildegard, trat Äbtissin Edeltraud Forster aus Altersgründen von ihrem Amt zurück. Am 1. Oktober erfolgte daraufhin die Wahl von Sr.Gisela Happ zur Priorin-Administratorin.
Am 23.August 2000 wurde Sr. Clementia Killewald zur Äbtissin und damit zur 39. Nachfolgerin der hl. Hildegard gewählt. Ihre Weihe empfing sie am 3.Oktober 2000 durch Bischof Dr. Franz Kamphaus., Limburg. Ihr Wahlspruch lautet: „Dominus ipse faciet“ (Der Herr wird es fügen). Am 28. Mai 2002 wählte der Konvent im Tochterkloster Marienrode Sr. Maria-Elisabeth Bücker zur Konventualpriorin für 12 Jahre. Wir vertrauen, dass sich damit der Wahlspruch von Äbtissin Clementia für beide Klöster in der Tradition der hl. Hildegard schon ansatzweise erfüllt hat.
Sr. Philippa Rath OSB
Schon seit vielen Jahren sind uns unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unentbehrliche Stützen bei der Arbeit. In großer Loyalität halten sie durch „Dick und Dünn“ zu uns und gehören so im weiteren Sinne zur klösterlichen Familie.
Frau Petra Biala ist gelernte Bankkauffrau und hat ihren Beruf wegen eines Familiennotfalls 2014 aufgegeben. Seit 2016 ist sie in unserem Klosterladen tätig und für den Wareneingang zuständig. Besonders viel Freude macht ihr auch der sporadische Einsatz in der Vinothek. Sie ist Mutter von zwei erwachsenen Kindern.
Frau Bettina André-Kunz unterstützt unsere Gastschwestern und trägt viel zu einer offenen und gastfreundlichen Atmosphäre an der Pforte bei. Schon ihr Vater, Herr André, arbeitete in den fünfziger Jahren bei uns, und seine Tochter war einst eines der ersten „Klimperkinder“ unserer Sr. Gertrud, die einer großen Schar von Jungen und Mädchen Gitarrenunterricht gab.
Herr Arnulf Steinheimer arbeitet seit 1990 als Winzermeister in Weinberg und Weinkeller. Er ist mit sichtbarer Freude und mit großem Erfolg immer darauf bedacht, die Qualität unserer Weine noch zu verbessern. 7 Hektar bearbeitet Herr Steinheimer, und es kann passieren, dass er bei der Rückkehr aus dem Weinberg sagt: “Schade, dass man heimkommen muss, weil man nichts mehr sieht.“
Herr Paul Korn aus Aulhausen ist seit Februar 2013 der Leiter unserer Klosterküche. Nach 15 Jahren Tätigkeit in der Gastronomie bringt er viel Erfahrung und Kreativität in der Zubereitung der Speisen und in der Teamleitung mit. Seine fröhliche Art und seine Kochkünste erfreuen gleichermaßen uns Schwestern, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und unsere Gäste.
Herr Daniel Vaszi kommt aus Aulhausen und ist seit 2016 Stellvertreter unseres Küchenleiters. Er ist gelernter Koch und hat trotz seines fast jugendlichen Alters schon 10 Jahre Berufserfahrung. Besondere Freude bereitet es ihm, zusammen mit Herrn Korn neue Brot- und Kuchenrezepte für unser Klostercafé zu kreieren.
Frau Kathrin Meyer leitet seit 1. März 2017 unser Integratives Klostercafé. Sie ist Staatlich Geprüfte Fachkraft für Arbeit und Berufsförderung und arbeitet seit 15 Jahren mit beeinträchtigten Menschen – mit dem Ziel, diese in den normalen Arbeitsalltag zu integrieren. Frau Meyer lebt in Lorch, ist verheiratet, hat eine Tochter und zwei Enkel.
Frau Rika Kohli, geb. 1968 in Afghanistan, lebt seit 25 Jahren in Deutschland und liebt ihre neue Heimat, den Rheingau, sehr. Viele Jahre pflegte sie mit viel Liebe und Engagement unsere Gästezimmer. Heute arbeitet sie mit ebensolchem Engagement mit in der Restaurierungswerkstatt.
Besonders gerne stellen wir Ihnen drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor, die tagtäglich aus den Rheingauwerkstätten für beeinträchtigte Menschen kommen und bei uns einen sogenannten ausgelagerten Arbeitsplatz haben: Herr Stefan Houda ist seit 2004 bei uns und arbeitet in der Küche; Frau Dara Grujic hilft im Klosterladen und in unserer Firma Dinkel und Frau Simone Fuchs schließlich ist unsere hauptamtliche Spülerin und verstärkt damit das Küchenteam. Alle drei sind uns eine große Hilfe – und ein ebenso großes Vorbild. Mit welchem Eifer und welcher Freude tun sie ihre Arbeit! | |
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Monastische Spiritualität in der Welt: die Benediktiner-Oblaten
In wachsender Zahl suchen Menschen aller Altersstufen heute Verbindung mit benediktinischen Klöstern. Das geschieht auf ganz unterschiedliche Weise: als Gottesdienstbesucher, als Einzelgäste, als Teilnehmer an Besinnungstagen und Exerzitien oder durch stille Tage im Kloster. Sie alle gelangen dadurch in das Kraftfeld benediktinischen Lebens und spüren, daß die menschliche und geistliche Erfahrung des Mönchtums auch für ihr Leben in der Welt Wegweisung, Ordnung und Hilfe sein kann. Ihr Ziel ist es, an dem Platz, an den sie gestellt sind, „wahrhaft Gott zu suchen“ und ihr Leben nach seinem Wort auszurichten. Durch häufigere Kontakte lernen sie die Regel des hl.Benedikt näher kennen und dringen so immer tiefer in die benediktinische Spiritualität ein. Schließlich kann dieser Weg am Ende dazu führen, daß sie ihrer geistlichen Verbundenheit mit einem Kloster die Form der Oblation geben möchten.
Grundwerte der Regula Benedicti für ein Leben in der Welt
Die Benediktusregel ist sichtbarer und gelebter Ausdruck einer Mönchsspiritualität. Dennoch wurde sie im christlichen Abendland in ihren Grundhaltungen schon sehr früh auch als richtungweisend für eine Laien- bzw. Weltspiritualität erkannt. Unverwechselbares Zeichen dafür sind die Oblaten der Klöster.
Ein Oblate versucht, mit Hilfe und in Verbundenheit mit seinem Kloster die Elemente der Mönchsspiritualität, wie sie in der Benediktusregel grundgelegt sind, schöpferisch auf seine konkrete Lebenssituation hin zu übersetzen. Seine Berufung in der Welt läßt ihm einen gewissen freien, charismatischen Raum, der z.B. gerade auch verheirateten Menschen die Möglichkeit eines öffentlichen kirchlichen Aktes der Hingabe an Gott gibt.
Wie vom Klosterkandidaten, so wird auch vom Oblaten als Grundvoraussetzung erwartet, daß er bereit ist, in allen Dingen „wahrhaft Gott zu suchen“ (RB 58,7), d.h. daß er überall und in jeder Lage Gott auf der Spur bleiben muß. Der Novizenmeister bzw. der Oblatenrektor/die Oblatenrektorin wird prüfen, ob der Kandidat Eifer für den Gottesdienst hat, für den Gehorsam und für das „Widerwärtige“, was ihm auf seinem Weg begegnet (RB 58,7). Ein Oblate stellt sich vor allem die Frage, ob er dem Gebet und der Teilnahme am kirchlichen, sakramentalen Leben Priorität einräumen und so dem Gottes-Dienst nichts vorziehen will (RB 43,3). Er verlangt danach, ein hörender Mensch zu werden, um in allen Geschehnissen und Wechselfällen des täglichen Lebens das einladende und einfordernde Wort Gottes vernehmen zu können und sich im Gehorsam daran zu binden. Dabei hilft ihm die Kraft innerer und äußerer Schweigsamkeit, die ihn hör- und empfangsbereit macht und auch zu einer Kultur des rechten Redens führt. Schließlich sollte er sich auch prüfen, ob er im Vertrauen auf die Hilfe Gottes das Kreuz Christi in die Mitte seines Lebens setzen möchte, d.h. ob er Schmerz, Verzicht, Verlust, Loslösung und alles Widrige im Leben in der Nachfolge seines Meisters Jesus Christus anzunehmen und womöglich lieben zu lernen bereit ist.
Da die Mönchsgelübde nichts anderes darstellen wollen als die gelebte Ganzheit des Evangeliums, können die benediktinischen Gelübde der Stabilitas (Beständigkeit), der Conversatio morum (Umkehr) und der Oboedientia (Gehorsam) auch für ein konsequentes christliches Leben in der Welt richtungweisend sein. Dem Oblaten ist es deshalb zunächst ein Anliegen, aus diesem Geist heraus die Beständigkeit, die alle Kräfte der Hingabe und Treue in Bewegung setzt, zum Fundament seines Lebens zu machen. Er weiß, daß er eine Erdung braucht, eine Heimat, Wurzeln, ohne die er sich den Grundfragen des Lebens nicht stellen kann. Er möchte fähig werden, sich mit sich selbst zu konfrontieren, nicht auszuweichen oder seine Lebenserfüllung in dauernder Abwechslung oder Flucht vor sich selbst zu suchen. So lernt er, das tägliche Einerlei anzunehmen und seine Durchhaltekraft in den Anstrengungen und Einforderungen des Alltags unter Beweis zu stellen. Entscheidend für seinen Weg ist es, seinen zentralen Angelpunkt zu finden, um von dort ausgehend ganz bei sich und bei Gott zu wohnen. Dies alles ist Sache des Herzens und damit nicht an einen bestimmten Ort oder ein bestimmtes Kloster gebunden.
Wenn ein Oblate das Gelübde der beständigen Umkehr in sein Leben integrieren möchte, dann wird er darüber hinaus nach und nach in der Flexibilität des Gehorsams die Bereitschaft zu ständigem Wandel und ständigem Neubeginn entwickeln – als Gegengewicht zu einer falsch verstandenen Stabilität, die zur Erstarrung und zum Beharren verführen kann. Er bleibt beständig auf dem Weg und stellt sich so in der „Gymnastik des Augenblicks“ den Forderungen von Wachstum und Reifung. Das schließt Korrekturen, Einsicht in das eigene Fehlverhalten und eine Kultur der Buße mit ein.
Benediktinische (Welt-)Spiritualität führt in ganz besonderer Weise zur Haltung der Ehrfurcht allem und jedem gegenüber. Darin liegt die Schönheit und Einzigartigkeit, aber auch die bleibende und allgemeingültige Aktualität der Benediktusregel. Es geht dabei nicht nur um das rechte Verhältnis zum Mitmenschen, sondern auch um den ehrfürchtigen Umgang mit den Dingen der Schöpfung und der Welt. Alles soll – so der hl.Benedikt – wie heiliges Altargerät betrachtet (RB 31.10) und mit Ehrfurcht, Liebe und Güte behandelt werden. Eine andere geistliche Grundhaltung, die der Benediktusregel über Jahrhunderte hinweg ihre Vitalität bewahrt hat, ist die weise Maßhaltung. Sie befähigt den Menschen, in allen Situationen das rechte Augenmaß zu bewahren und durch die Prüfung und Unterscheidung der Geister in der Komplexität des Lebens die richtigen Entscheidungen zu treffen. Schließlich betont der hl.Benedikt die Demut als grundlegende Geisteshaltung, um die sich der gottsuchende Mensch bemüht, und in der er auch die ganz gewöhnlichen Dinge des Alltags gesammelt und aufmerksam zur Ehre Gottes verrichtet. So wird auch der Oblate auf vielfältige Weise bereitet, sein Leben in die eigenen Hände zu nehmen und vertrauensvoll in die Hände Gottes zu legen. Die Ordensregel, nach der er sein Leben ausrichten möchte, vermittelt ihm dabei nicht so sehr ein Wissen als vielmehr eine Kraft, die aus dem Gebet und dem Schweigen unserer Vorväter und Altväter erwachsen ist.
Jede Laienspiritualität ist eine Sendung in sich. Der Oblate erfährt sich als Gerufener und legt Zeugnis von seinem Glauben ab, wohin immer er gestellt ist. Er wird seine Kräfte vor allem in den Dienst der Kirche stellen, der er sich zutiefst verbunden fühlt und die er als die eigentliche Mater et Magistra erfährt.
Der Weg zum Benediktiner-Oblaten/zur Benediktiner-Oblatin
Der Name Oblate stammt vom lateinischen Wort oblatus, d.h. der Hingegebene, der Aufgeopferte, der Dargebrachte, der An-Gott-Verschenkte. Schon in diesem Namen liegt also ein grundlegendes christliches Programm. Der Christ möchte seine Taufgelübde in der Nachfolge Christi bewußt leben, um so zur immer volleren Einheit mit Gott zu gelangen, auf daß er, Gott, schließlich alles in allem werde.
Benediktiner-Oblaten/Benediktiner-Oblatinnen gehen den Weg der Nachfolge in bewußter Bindung an ein bestimmtes Kloster und lassen sich dabei von der Benediktusregel führen und prägen. Sie verstehen sich als eine Ausweitung der klösterlichen Gemeinschaft und setzen ihrerseits in ihrem jeweiligen Lebensbereich die Sendung des Klosters in die Welt hinein fort. Untereinander sind sie aufgrund der gleichen Berufung durch Bande der Freundschaft und Geschwisterlichkeit verbunden, ohne daß sich dies in vereinsrechtlichen Strukturen niederschlagen würde.
Die Berufung zum Oblaten darf jedoch nicht als ein verkürztes Mönchsleben oder als Mönchtum mit weniger Verpflichtungen, sondern muß als eigenständige Form der Berufung betrachtet werden. Der Oblate bindet sich in der Oblation nicht so sehr an den Gesamtorden, sondern an „seine Abtei“; die Oblation ist dabei ein öffentlicher kirchlicher Akt. Die Verbundenheit zwischen dem Oblaten und „seinem Kloster“ besteht vor allem in der Gebetsgemeinschaft, wobei der Oblate nach Maßgabe seiner Lebensumstände einen Teil des kirchlichen oder monastischen Stundengebetes mitvollzieht. Das Kloster seinerseits bietet durch den/die OblatenrektorIn und andere Mitbrüder/-schwestern Einkehrtage, regelmäßige Kontakte durch Rundschreiben und eine kontinuierliche geistliche Begleitung an und wird seinerseits durch die Verbundenheit mit seinen Oblaten auf vielfältige Weise beschenkt.
Wer kann Benediktiner-Oblate werden? Grundsätzlich besteht dieses Angebot für alle katholischen Christen, Verheiratete und Unverheiratete, Priester oder Diakone. Die Hinführung zur Oblation erfolgt in verschiedenen Schritten: Wer Oblate oder Oblatin werden möchte, sucht zunächst die Möglichkeit, mit dem Oblatenrektor Kontakt aufzunehmen. Zur gegebenen Zeit kann mit Zustimmung des Abtes/der Äbtissin durch einen kurzen Aufnahmeritus eine Probezeit von etwa einem Jahr beginnen. In diesem „Noviziatsjahr” wird der Kandidat mit der Regel des hl.Benedikt und mit den Grundzügen der monastischen Spiritualität vertraut gemacht . Stimmt der Abt nach Rücksprache mit dem Oblatenrektor dann der Bitte des Kandidaten zu, kann die Oblation stattfinden. Die Oblation ist also eine Berufung durch Gott, die beiderseitig geprüft wird. Sie wird so zur ganz persönlichen Lebensentscheidung und bedeutet nicht nur die Aufnahme in den „Freundeskreis“ einer Benediktinerabtei.
Benedikt hat keine Regel für einen „Dritten Orden“ geschrieben. Das Oblatentum hat sich aus dem Text des 59.Kapitels der Regel entwickelt und ist damit eine in der Benediktusregel selbst verankerte Lebensweise. Gerade heute, in einer Zeit allgemeiner Orientierungslosigkeit kann ein Leben als Oblate allen, die nach der Benediktusregel fragen und in ihr eine erprobte Schule des Glaubens suchen, Weisung, Halt und ein Zuhause bei Gott schenken.
P.S. Wer weitere Informationen sucht oder direkt mit unserer Oblatenrektorin Kontakt aufnehmen möchte, möge sich bitte an
Sr. Lydia Stritzl wenden.
Tel: 06722 / 499 – 114
Email: sr.lydia@abtei-st-hildegard.de