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Einführung in die Liturgie der Osternacht

OSTERNACHT

Feier der Passion und der Auferstehung Jesu Christi. Mit dem gestrigen Karfreitagsgottesdienst wurden die Tiefen der Passion berührt, – jetzt stehen wir vor der Osternacht, die uns hinübergeleitet in das Fest der Auferstehung. Jemand hat einmal gesagt: „Auferstehung ist das Geheimnis aus dem wir leben, aber es ist unsäglich schwer, es in Worte zu fassen. Worüber man nicht sprechen kann, darüber sollte man schweigen, es gibt allerdings auch Unaussprechliches, – es ist das Geheimnisvoll-Mystische . .“ Wir sind in diesen Tagen schon öfter darauf gestoßen. Das Geheimnis, so Guardini; ist ein Übermaß an Wahrheit, – eine Wahrheit, die meine Fassungskraft übersteigt. Und weil sich Worte hier so schwer tun, birgt die Osternacht eine Fülle von Bildern, die zum Sprechen kommen sollen. –

Da ist, schon ehe der Mitfeiernde den Kirchenraum betritt, das Feuer, das Osterfeuer, das (bereits am Nachmittag) aus dem Stein geschlagen, die Holzscheite zum Glühen und Flammen bringt. Schätzungsweise vor dreihunderttausend Jahren muss sich das Element Feuer dem Menschen in die Hand gelegt haben, und es bedeutete, dass mit der Entdeckung des Feuers der Mensch den entscheidenden Schritt aus dem Tierreich in sein Menschsein getan hat: Er konnte sich wärmen, die harte Kälte überstehen, wärmende Nahrung zu sich nehmen, andere Materie erhitzen und sie weiter verarbeiten, und des Feuers Flammen müssen ihm vorgekommen sein wie ein Lichtglanz aus einer anderen Welt. – Das Feuer wurde damals in den Bereich der Götter gelegt, dem Menschen eigentlich unzugänglich, bis Prometheus den Göttern das Feuer raubte, so wissen es die frühen Mythen, und es auf die Erde brachte, – als Vermächtnis der Götter den Menschen zueignete. Aber was geschah eigentlich? Irgendwann müssen Menschen begriffen haben, dass aus dem totesten Material, das wir uns denken können, aus toten Steinen, lebendiges flammendes Feuer zu gewinnen war, indem man sie aneinanderschlug, bis der Funke sprühte. Auf diese Weise soll das Osterfeuer bis heute gewonnen werden, – mit Hilfe toter Steine die lebendige Flamme. So beschwört die Kirche in der Osternacht aus toter Materie den lebendigen Funken, – ein ganz anderes Element, das des Lichtes und der Wärme. Das Bild bedarf keine langen Erklärung in der Osternacht. Wenn das gilt, dann fragt sich, ob es auf der Welt überhaupt etwas gibt, von dem man sagen dürfte, es sei endgültig tot!

Feuer als Lichtglanz aus einer anderen Welt, so leuchtet das Osterfeuer in die Nacht hinein und entflammt den Menschen in Sehnsucht nach dem, was über ihn hinausgeht. Das Gebet bei der Feuerweihe lautet: „Gewähre uns, dass wir durch diese österliche Feier so von der Sehnsucht nach dem Himmlischen entflammt werden, dass wir auch zur Feier der unvergänglichen Lichtherrlichkeit gelangen dürfen …“

Im Zusammenhang mit der Einsetzung der Eucharistie unter den Gestalten von Brot und Wein war schon einmal die Rede vom Hunger danach, – Hunger als Synonym für Sehnsucht. Der Pastoraltheologe Paul Michael Zulehner glaubt festzustellen, dass der Mensch heute von einer nahezu maßlosen Sehnsucht getrieben wird. Sie ist im Menschen grundgelegt bis zur Maßlosigkeit, und er leidet sozusagen daran, weil diese maßlose Sehnsucht letztlich nur an dem Gott ohne Maßen und Grenzen festzumachen ist. Aber das findet der Mensch noch nicht heraus, und so sucht er, ohne es zu wissen. Er reiht viele kleine Glückserfahrungen aneinander in der Meinung, die müssten ihm doch schließlich Erfüllung bringen. Aber letztendlich genügen sie ihm doch nicht, und so lässt ihn das schließlich beständig auf der Jagd nach dem Glück sein, ohne dass er es findet. „Die Zahl solcher Sucher,“ sagt Zulehner, „geht heute ins Unendliche.“ In dieser Situation müsste ein solcher eigentlich auf einen Menschen stoßen, der ihm allein schon durch seine Existenz deutlich macht: „Ja, es gibt etwas, das Erfüllung schenkt und Hoffnung macht . .“ und dabei mag ihm eine Ahnung von Gott aufgehen. Zulehner sagt: „Das ist die Frage, die wir uns in der Kirche stellen müssen: Kommt der lebendige Gott bei uns und in unserm Leben so vor, dass die Menschen, die uns in ihrer oft unbewußten Sehnsucht begegnen, sagen können: ‚’ja, da habe ich etwas erspürt von dem Geheimnis, das Gott ist, da weiß einer etwas von Erfüllung,’ – was ihm aber die Sehnsucht nicht nimmt. Sehnsucht muss weit ausgespannt sein, – eben nach ‚dem Himmlischen’. “

.Am Osterfeuer wird nun die Osterkerze entzündet und feierlich in die dunkle Kirche getragen, – ein ergreifender Augenblick, – alle Anwesenden ziehen hinter ihr her. Die Lichtsäule, ein sprechendes österliches Symbol Christi: „Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt, wird nicht im Finstern gehen müssen“, – das stellt sich hier dar. „Lumen Christi, – „Licht Christi“ – „Deo gratias!“ – „Dank sei Gott!“, das je dreimal. Und wenn alle Lichter in den Händen der einzelnen entzündet sind, dann wird die Osterkerze auf denm Leuchter gestellt. Und jetzt folgt das „Praeconium paschale“, die österliche Proklamation, der Heroldsruf der Auferstehung im Licht der Kerze. In der Antike kündeten Herolde die Ankunft des Herrschers an. Das erste Wort „Exsultet ..“ – „Jubelt im Himmel ihr Chöre der Engel, jubelt ihr göttlichen Geheimnisse, freue dich Erde,“ – alles wird personifiziert und angesprochen, wie so oft in den Psalmen. Vielleicht tun wir das zu wenig, – versuchen, mit den Dingen ins Gespräch zu kommen. Die Therapie macht davon Gebrauch.

Exsultare = ein Intensivum von exsilire = stark in die Höhe springen, hoch aufspringen, überschäumend frohlocken. In der Apostelgeschichte 3,8 heißt es:“…claudus exsiliens stetit et ambulabat…“ = „der durch Petrus geheilte Lahme sprang auf, stand und ging umher…“ und später:“…exsiliens et laudans Deum…“,=„..er sprang umher und lobte Gott…“ .Hier geht es um einen Jubel, der auch leibhaft seinen Ausdruck findet. Der Philosoph und Psychotherapeut Ludwig Klages sagte einmal: “Jedes Gefühl, – Freude, Trauer, Zorn, Wut, – das nicht seinen Ausdruck findet in einer Gebärde, in einer leibhaften Gebärde, wird zum ‚Schatten’.“ „Schatten“ im Sinne von C.G. Jung, als nicht gelebtes, abgedrosseltes Leben, als nicht zugelassene Vitalität. – Positiv formuliert hieße dann die Forderung: die Gefühle nicht nur zulassen, sondern ihnen sogar leibhaft Ausdruck geben, auch wenn der „Freudensprung“ wie hier beim Gelähmten für uns nicht an jedem Ort möglich ist. Unverbogene Kinder tun das noch, strampeln vor Freude, klatschen in die Hände, stampfen vor Wut usw. Beim Erwachsenen käme es darauf an, in solch einer Weise den Gefühlen, auch den negativen, Ausdruck zu geben, dass sie zwar geäußert und herausgesetzt werden, jedoch nicht den anderen als „Fetzen“ um die Ohren fliegen. Also sozusagen leibhaftige Freude und überschäumenden Jubel will die Osternacht auslösen, und es wäre gut, wenn das irgendwie spür- und sichtbar Gestalt annähme. – Zahlreiche Ausdrücke von Licht häufen sich dann: „Erde bestrahlt von blitzenden Licht, erleuchtet vom Glanz solchen Lichts, – verklärt von den Strahlen solchen Lichts“.

Exsultet, – ein Präfationsgesang. Die Osternacht geprägt von der alttestamentlichen Passah-Typologie, Schlachtung des Lammes, Herausgeführt aus der Knechtschaft, Durchzug durchs Rote Meer, voran die Lichtsäule. Und immer wieder: „Haec est nox …“ – „Dies ist die Nacht …,“ – wie Kinder immer wiederholen und es nicht fassen können, – „der Sieger aus dem Grab, Vernichter der Todesfesseln, stiftet Heil im Abgrund, -o unbegreifliche Liebe, die uns einhüllt,“ – und dann: „o wahrhaft notwendige Sünde, o glückliche Schuld, o wahrhaft selige Nacht.“ Eine kühne Behauptung. Ein vorkonziliarer Liturgiker hat diese Aussage, die wahrscheinlich auf Ambrosius, Augustinus, oder Leo d. Gr. zurückgeht, nahezu entschuldigend kommentiert: “Im Übermaß der Osterfreude, die aus einem übervollen Herzen quillt, geht die Kühnheit der Poesie hier weiter als es dogmatische Schranken gestatten.“ Dem wäre zu widersprechen. Hier wäre an das Gleichnis vom verlorenen Sohn zu denken, das uns Jesus selbst aus eigenem Munde geschenkt hat. Gerade in seinem Verlorensein reifte der Entschluss zum Aufbruch, zur Umkehr und zum Schuldbekenntnis. Er fand tiefer heim, als er es je gewesen und erfuhr in der wortlosen Umarmung und im Kuss die „inaestimabilis caritatis dilectio“ – unbegreifliche, bedingungslose Liebe. Ein ungeheuer kühnes Bild, – Christus, hinabgestiegen in die Tiefen des „verlorenen Sohnes“, dessen Auferstehung dann das Fest der großen Heimkehr zum Vater ist: „Resurrexi et adhuc sum tecum…“ „Auferstanden bin ich und nun bei dir…“, wie es im Introitus von Ostern heißt. – Das Gegenbild der „felix culpa“ erscheint in der Gestalt des älteren, „schuldlosen“ Sohnes, der aber als Mitbesitzer aller väterlicher Güter seine Vorzugsstellung gar nicht begriffen hat und dennoch „Knecht“ geblieben war. „Kühnheit, das ist die Sache von Söhnen,“ – die um die Annahme an Kindesstatt wissen, wie so sagte Therese von Lisieux.

Zum Schluss heißt es im „Exsultet“: “Diese Kerze leuchte in ungeschwächtem Glanz fort, sie vertreibe das Dunkel der Nacht, ihr Licht vermische sich mit den Lichtern des Himmels, der aufgehende Morgenstern schaue noch ihre Flamme, (daher brennt sie die ganze Nacht), bis der Morgenstern sie findet, – jener Morgenstern, der keinen Untergang kennt, der, für den die Osterkerze hier steht. In der Apokalypse nach Johannes heißt es: “Ich, Jesus, bin der strahlende Morgenstern“. (22). Der Morgenstern, der als Lucifer bezeichnet, der Lichtträger in des Wortes tiefster Bedeutung schlechthin ist, „Jesus Christus, der aus dem Infernum, aus der Unterwelt, zurückgekehrt ist und dem Menschengeschlecht aufleuchtet in heiterer, seliger, (serenus) Klarheit und Strahlkraft, – „humano generi serenus illuxit.“ Soweit einiges aus dem Exsultet.

Nach dieser Lichtfeier folgt nun der Wortgottesdienst mit sieben alttestamentlichen Lesungen. die eigentlich den Täuflingen die Heilsgeschichte vor Augen führen soll. Angefangen mit der Erschaffung der Welt, von der Gott sah, dass sie gut war, bis hin zu der Verheißung ungeachtet des vielfachen Versagens der Menschen. „Ich mache euch rein, gebe euch ein neues Herz, einen neuen Geist und ihr werdet mein Volk sein und ich werde euer Gott sein.“ Das ist Auferstehung.

Und dann noch ein Wort zum ersten Alleluja, das nach langen Wochen der Entbehrung hier zum ersten Mal in der Osternacht wieder aufklingt. Es ist ein erster Freudenlaut, den nichts und niemand wiedergeben kann. „Wer hier hallenden Jubel erwartet, der hat das wahre Ostern eigentlich noch nicht recht begriffen. Dieses Alleluja steigt mit schwerem Flügelschlag auf, es ringt sich sozusagen aus dem Grabe und trägt an seinen Schwingen die Blutstropfen Christi. Es ist das Lied einer Nacht, die in der Umarmung des Auferstehungstages langsam hell wird. Das erste Alleluja der Osternacht ist ein Geheimnis, unaussprechlich wie alle Geheimnisse. So wie dieses Alleluja ist das ganze Christenleben: ein zartes verhaltenes Freudenlied, das mitten in der Leidensnacht dieser Zeit den Aufgang des ewigen Tages grüßt. Was die paar Silben und Intervalle aussprechen, sollte in unsere Herzen eingegraben sein: die Gewissheit der Auferstehung im beständigen Sterben des zeitlichen Lebens.“ So die längst verstorbene Benediktinerin von Herstelle, Ämiliana Löhr.

Es folgen nach Evangelium und Predigt die Erneuerung der Taufe, – Osternacht der bevorzugte Ort für die Taufe. Dann nimmt die Eucharistiefeier ihren weiteren Verlauf.

Der Ostersonntag hat sein eigenes Auferstehungs-Hochamt, das ebenfalls von einer verhaltenen Freude getragen ist. „Auferstanden bin ich und nun immer bei dir,“ so lässt der Introitus den Auferstandenen zum Vater sagen. In ihm ist unser Menschsein schon in Gott beheimatet. Auch unsere Auferstehung wird die Geburt eines verklärten Leibes sein, alles Leid wird verwandelt, denn „von ihm haben wir alle empfangen“, wie Paulus sagt, er ist uns vorausgegangen.

Wie gehe ich mit dem Leid, mit allem Schweren in meinem Leben um, das es mich nicht kaputt macht und mich verzweifeln lässt, sondern dass es mich letztlich klärt und mich reifen lässt, mich wandelt und verwandelt. Bei der Taufe Jesu im Jordan und bei der Verklärung, bei der die Auferstehung ja bereits erahnbar wird, heißt es: „Während er betete, öffnete sich der Himmel, – verwandelte sich sein Aussehen.“ Damit ist ein Weg der Leidbewältigung gewiesen: während des Betens, öffnet sich der Himmel, – verwandelt sich die Situation, da tritt Verwandlung ein. Er der Verklärte, der Auferstandene wird auch unseren armseligen Leib verwandeln. Not, Leid. Schuld haben nicht das letzte Wort.

Die Dichterin Nelly Sachs sagt einmal: “Deine Auferstehungen sind in Tränen gebadet. . .“

Uns allen möge die Freude vieler kleiner Auferstehungen – schon im Hier und Jetzt – beschieden sein.

 

Sr. Teresa Tromberend OSB