Damit sie meine Freude ganz in sich haben
„Jesus erhob seine Augen zum Himmel und betete: Vater, gekommen ist die Stunde : verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche. Du hast ihm ja Macht gegeben über das ganze Menschengeschlecht, dass er allen, die Du ihm gegeben, ewiges Leben schenke. Das ist das ewige Leben, dass sie Dich, den einzigen wahren Gott erkennen und den Du gesandt hast, Jesus Christus.
Ich habe deinen Namen denen geoffenbart, die Du aus der Welt gerufen und mir gegeben hast. Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins seien wie wir. Solange ich bei ihnen war, bewahrte ich sie in Deinem Namen, den Du mir gegeben hast. Ich habe sie behütet, und keiner von ihnen ging verloren außer dem Sohn des Verderbens, damit die Schrift erfüllt wird. Aber jetzt gehe ich zu Dir; dies rede ich noch in der Welt, damit sie meine Freude ganz in sich haben. (Joh 17,1-3; 6. 11 b – 13)
Wer von uns sehnt sich nicht nach Freude! Lebt doch der Mensch von dem, was ihn freut.
Die heilige Hildegard sagt: „Was der Mensch ersehnt, das freut ihn, und so verlangt er das, wonach sein Sehnen geht, und es wird ihm ganz nach seinem Wollen auch entgegenkommen. Wenn er so Gott um etwas bittet, wird Gott ihm Beistand gewähren.“ (LVM S. 45 )
Was ersehne ich, woran habe ich Freude? Was erfreut mein Herz ? Ein Lächeln, ein gutes Gespräch, wenn ich mich verstanden und angenommen fühle? Freue ich mich über das schöne Wetter, über eine faszinierende Landschaft, über meinen beruflichen Erfolg? Fragen Sie sich selbst, was ihnen Freude macht und was Sie unter Freude verstehen.
Jesus spricht im 17. Kapitel des Johannesevangeliums von der Freude, einer Bitte an seinen Vater (im Rahmen des großen Dank- und Bitt-Gebetes, das der scheidende Gesandte an seinen Vater richtet). Der Herr steht vor seiner Rückkehr zum Vater. Er ist mit seinen Aposteln zum letzten Mal im Abendmahlssaal zusammen, nachdem er ihnen die Füße gewaschen und seine Liebeshingabe im Zeichen von Brot und Wein gegenwärtig gesetzt hat. Unser Herr und Heiland fasst sein Leben zusammen in einem Gebet an den Vater. Er übergibt sein Werk dem Vater mit den einleitenden Worten: Vater, gekommen ist die Stunde, verherrliche deinen Sohn. In der Stunde des Leidens und Sterbens Jesu vollzieht sich die Verherrlichung des Sohnes. Jesus erfüllt den Auftrag des Vaters gehorsam bis zum Tod, in der Hingabe, der Liebe bis zum Äußersten, den Menschen das ewige Leben mitzuteilen, zu schenken. Weiter betet Jesus für die zurückbleibenden Jünger und für die Menschen, die durch ihr Wort an Ihn glauben, für die nachösterliche Kirche, für die Christenheit. Jesus bittet zunächst für die Jünger, die ihm vom Vater gegeben sind, Diese sind quasi die Gefangenen der Liebe. Er fuhr zum Himmel auf und nahm Gefangene mit, die der Vater erwählt hatte, heißt es im Psalm 67.
„Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins seien.“
So betet Jesus für seine Jünger, dass sie eins seien und in Gottes Namen bewahrt bleiben, in seiner Liebe bleiben. Sie sollen in seiner Liebe eins sein. „Jetzt komme ich zu dir,“ betet Jesus, „und dies rede ich noch in der Welt, damit sie meine Freude in Fülle in sich haben.“ Was für eine Freude ist da gemeint? Es ist Jesu Freude. Diese wird nicht näher beschrieben. Christus schöpft seine Freude aus der Gemeinschaft mit dem Vater. Und in dieser Freude, in seiner Freude, will er die Seinen geborgen wissen. Auch die Glaubenden sollen Anteil haben an der vollkommenen Freude Jesu.
Nicht nur an der Liebe, auch an der Freude müsste man die wahren Jünger erkennen können. Freude ist das Kennzeichen des neuen Lebens mit Jesus. Natürlich ist dies nicht ein oberflächliches Vergnügt sein, sie ist Anteil an Jesu Freude, eine den Menschen im Tiefsten und Innersten erfüllende Freude, eine Freude, die im Einssein mit dem Herrn, in seiner Liebe und in seinem Im–Vatersein gründet. Der Herr betet zum Vater: alle sollen eins sein, wie du Vater in mir und ich in dir. Sie sollen in uns eins sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast. Ist dieses Einssein nicht Jesu Sehnsucht und Freude? Und in Jesu Freude ist auch das Leid umarmt, es ist hineingenommen in seine innige Beziehung zum Vater. „In der Welt habt ihr Drangsal“, sagt Jesus seinen Aposteln, „aber ich habe die Welt überwunden“. Ist nicht unser Sieg – der Glaube an Jesus Christus? Im Glauben, d.h. im innigen Einssein mit Jesus, haben die Apostel sich gefreut, um des Namens Jesu willen Schmach zu leiden. In dieser existentiellen liebenden Verbundenheit sind die Märtyrer in den Tod gegangen.
„Damit sie meine Freude in sich haben“, so betete unser Herr vor seinem Hinübergang zum Vater.Wenn auch Prüfungen und Drangsalen in der Zeit uns nicht erspart bleiben, so haben wir doch die Gewissheit, dass sich unsere Traurigkeit in eine bleibende Freude verwandeln wird. Jesus sagt zu seinen Jüngern: „Ich werde euch wiedersehen; dann wird euer Herz sich freuen und niemand kann euch die Freude nehmen.“ Schon jetzt geht es um diese Freude in unserem Leben, die Freude, die sich in der Verbundenheit mit Jesus Christus schenkt. Dies gilt für jeden Getauften und Gläubigen. Christen sollten an der Freude und Hoffnung zu erkennen sein, wir sollten österliche Menschen sein. Das Wirken nach außen müsste aus der inneren Vereinigung mit Gott fließen.
Papst Franziskus hat ein Jahr des geweihten Lebens ausgerufen vom 30. November, dem ersten Adventssonntag 2014, bis zum Fest der Darstellung Jesu im Tempel am 2. Februar 2016.
Das Jahr des geweihten Lebens betrifft nicht nur die geweihten Personen, wie Papst Franziskus sagt, sondern die gesamte Kirche. Dennoch sind besonders die Ordenschristen angesprochen, wach auf ihre Berufung zu blicken, treu zu ihrer Sendung zu stehen. Jesus verlangt von uns, das Evangelium, seine Worte zu leben, sagt Papst Franziskus. Ist Jesus wirklich die erste und einzige Liebe, wie wir es uns vorgenommen haben, als wir unsere Gelübde ablegten? Genau darin sollten wir Ordenschristen unsere vollkommene Freude finden, von der Sehnsucht der Liebe gedrängt, in die Freude unseres Herrn hineinzuwachsen. Jesus in seiner Freude mehr kennen zu lernen, indem wir uns im Schweigen und Hinhören auf sein Wort hineinnehmen lassen in seine Vaterbeziehung und so seine Wünsche, sein Herz mehr erkennen, das voll Erbarmen ist für jeden Menschen.
Wenn möglichst viele geweihte Christen versuchen, in der Freude Jesu zu leben, wird das Antlitz der Kirche Jesu Antlitz und Freude tragen. Dann wird sich durch Gottes Geist Heilung für die ganze Menschheit ereignen und das Antlitz der Erde erneuert. Damit sie meine Freude in Fülle in sich haben. Komm Heiliger Geist – Geist der Liebe und der Freude!
Von Sr. Hiltrud Gutjahr OSB