Meditation zu
Fronleichnam

Fronleichnam

„Da robur, fer auxilium“, „Gib Kraft, bring Hilfe.“ Diese Zeile aus dem lateinischen Laudeshymnus von Fronleichnam ist kein zartes, vorsichtiges Flehen: „Gib mir, gib uns doch bitte Kraft“, sondern viel stärker, ein Befehl, ja ein Schrei: „Da robur! Fer auxilium!“, „Gib Kraft! Bring Hilfe!“

Fronleichnam ist keine fromme Verzierung, kein Fest am Rande, sondern zutiefst existenziell: Der Schrei nach Brot, der Schrei nach Lebenskraft.

Sicher, der Weg zum Himmel ist offen, Heil und Erlösung geschehen, doch auf diesem Weg ist nicht alles leicht, da gibt es Krieg, „Krieg“ in Anführungszeichen in uns, Krieg und Gewalt zwischen den Völkern, der bestanden und überlebt werden will. Da braucht es „Robur“, Robustheit, Kraft und „Auxilium“, Waffenhilfe, das heißt, das Beistehen und Zuhilfekommen eines Stärkeren, Eines, der gerüstet ist, zu bestehen.

Die ganze Strophe heißt:

„O salutaris hostia,              

O heilbringendes Opfer

Quæ cæli pandis ostium,    

das du öffnest das Tor zum Himmel.

Bella premunt hostilia:        

Wo feindlich Kriege bedrängen:    

Da robur, fer auxilium.         

Gib [uns] Kraft, bring [uns] Hilfe!“

Allein diese Worte sind kraftvoll und geben beim Gebet Kraft. Mir ist es vor Jahren passiert, dass ich in den Ferien gelaufen bin und den ganzen Tag die Worte „Da robur, fer auxilium“ vor mich hin gesungen habe. Die Worte haben damals mein Gebet ausgedrückt, obwohl das nicht bewusst geschah. Es ist ein archaisches, existenzielles Gebet: „Da robur! Fer auxilium!“, „Gib Kraft! Bring Hilfe!“ Wenn ich heute in den Nachrichten das Weltgeschehen wahrnehme, dann kommt es mir so aktuell vor, so existenziell wie der Krieg, so existenziell das Gebet um Kraft und Hilfe.

Es ist auch das Gebet des Volkes unterwegs. Ein Gebet Schritt für Schritt, für lange Wege. Für den langen, gewundenen und vielleicht Umwege umfassenden Lebensweg, der gestärkt wird von Gottes Speise und Segen. Die Fronleichnamsprozession ist ein Zeichen dafür, dass wir nicht im Gewohnten stehen bleiben wollen, sondern dass wir im Glauben wandern, wandeln, uns verändern. Uns Schritt für Schritt neu verorten.

Noch eine andere Strophe, aus dem Hymnus der Matutin, betont die Bewegung:

„Sacris solemniis iuncta sint gaudia,

Den heiligen Feiern sei verbunden die Freude

Et ex præcordiis sonent præconia;

und aus den Herzen mögen erschallen die Lobpreisungen!

Recedant vetera, nova sint omnia,

Altes weiche zurück, alles sei neu:

Corda, voces et opera,

Herzen, Stimmen und Werke.“

Bleibe nicht stehen! Alles sei heute neu!

Sicher ist der Festinhalt die Nachfeier des Gründonnerstags, weil die Freude über das festliche Mahl sich in der Karwoche nicht genug ausdrücken konnte. Aber das Mahl ist nur der Ausgangspunkt für den Weg. Gefeiert wir nicht der Tisch, sondern die Wegzehr, der Proviant. In der Sequenz singen wir:

„Ecce panis Angelorum,    

                        Seht, das Brot der Engel,

              Factus cibus viatorum,      

                        es ist Speise der Wanderer geworden.“

Es stärkt auf dem Weg, es bringt Kraft und Hilfe. Wie es auch im „Panis angelicus“, im Hymnus der Matutin heißt:

              „Panis angelicus fit panis hominum;       

                        Engelsbrot wird Brot für die Menschen;

              Dat panis cœlicus figuris terminum;        

                        Himmelsbrot gibt den Gestalten ein Ziel.“

– Gibt unserem Suchen ein Ziel.

Schließen möchte ich mit der Schlussstrophe des Matutinhymnus:

   „Te, trina Deitas unaque, poscimus:

                        Dich, dreifaltige und eine Gottheit, bitten wir:

              Sic nos tu vísita, sicut te cólimus;

                        Besuche du uns so, wie wir dich verehren.

              Per tuas semitas duc nos quo tendimus,

                        Auf deinen Wegen führ uns, wohin wir streben,

              Ad lucem, quam inhabitas,

                        zum Licht, in dem du wohnst. Amen.“

 

Text: Sr Klara Antons OSB

Bild: Ausschnitt aus dem Evangeliarbild für Fronleichnam von Sr. Josepha Knips OSB, um 1930.