Die Gelübde
„Eins nur erbitte ich vom Herrn, danach verlangt mich:
im Hause des Herrn zu wohnen alle Tage meines Lebens,
zu schauen die Freundlichkeit des Herrn
und nachzusinnen in seinem Tempel.“ (Ps 26/27)
Schon früh hat man zwischen der Taufe und der Profess auffallende Übereinstimmungen festgestellt. Die Profess wurde sogar oft als zweite Taufe dargestellt. Der Glaube, so sagte einst Tertullian, vollendet sich in der Taufe, dem „sacramentum fidei“. Durch die Taufe wird der Glaube in Worten und Gebärden gefeiert und erhält so seine Gestalt. Dies gilt in ähnlicher Weise auch für das monastische Leben. Was die Taufe für den Glauben, das ist die Profess für dieses innere Ja-Wort. Auch im Ritus gibt es Übereinstimmungen. Die Taufhandlung ist begleitet von Tauffragen und Antworten. Auch die Profess kennt begleitende Fragen und Antworten, und man könnte vielleicht auch eine Parallele sehen zwischen dem Taufkleid und dem Mönchsgewand, der Kukulle, die bei der Profess überreicht wird.
Wie der Glaube in der Taufe gefeiert wird, so feiern wir als Mönche und Nonnen in der Profess unsere monastische Berufung und unseren monastischen Glauben: den Glauben an die Gnadengabe des Hl. Geistes und an den Sinn des jungfräulichen Lebens, das uns ermöglicht, warten zu können, Ausschau zu halten nach Gott, der größer ist als unser Herz. Wie man bei der Taufe durch die Tauffragen öffentlich Stellung bezieht, so bekennen wir uns in den Gelübden öffentlich zum Bund mit dem Herrn und zur Absage an alles, was wir preisgeben.
Die Profess ist ein Fest des Bundesschlusses. Mit der Urkunde legen wir uns selbst auf den Altar zu den eucharistischen Opfergaben, und wir beten oder singen unseren Professgesang darüber, der gleichsam ein Opfergebet ist: „Suscipe me, Domine secundum eloquium tuum et vivam, et non confundas me ab expectatione mea“ (Nimm mich auf, o Herr, nach deinem Wort, und ich werde leben; lass mich in meiner Hoffnung niemals scheitern). Es gab im Alten Testament und es gibt im Neuen Testament kein Opfer ohne Opfergabe. Die Opfergabe – die sind wir selbst, die ist unser Leben, das wir ganz mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in die Worte unserer Profess hineinlegen.
Der hl. Benedikt spricht im 58. Kapitel seiner Regel über die Profess. In diesem Text – er beginnt mit Vers 17 – finden wir in konzentrierter Formulierung, welches die tragenden Elemente des Mönchslebens sind, insbesondere des zönobitischen, d.h. gemeinschaftlichen Lebens, wie Benedikt es versteht. In dem Augenblick, – „ex illa die“ steht dreimal im 58. Kapitel – in dem der Mönch sich endgültig bindet, lässt Benedikt ihn ein mündlich ausgesprochenes und schriftlich in einer Urkunde festgelegtes Versprechen ablegen.
In diesem Gelöbnis werden die Hauptelemente des monastischen Lebens in drei tragenden Säulen zusammengefasst:
„Promittat de stabilitate sua et conversatione morum suorum etoboedientia“ – „er verspreche Beständigkeit, monastischen Wandel und Gehorsam“. Das sind die Elemente der benediktinischen Profess. Das sind die Elemente, nach denen wir unser Leben konkret gestalten und die uns zur Vereinigung mit Gott führen wollen.
Durch das Gelübde der Beständigkeit (Stabilitas) verpflichten wir uns, bis zum Tode in der Gemeinschaft zu bleiben, in die wir eingetreten sind. In dem einmal gewählten Lebensraum auszuharren, bedeutet, dass wir unser ganzes Leben in Gott verankern wollen. Die Stabilitas verstehen wir heute also – und auch der hl. Benedikt verstand sie so, als Bleiben in einer bestimmten monastischen Gemeinschaft. Dem zugrunde liegt aber eine tiefere Wirklichkeit, die auch für andere monastische Lebensformen als die zönobitische gilt. Das tiefste Element, das Benedikt vor Augen steht, ist die Treue. Treue in guten wie in bösen Tagen, Treue, die standhält, die sich nicht entmutigen lässt, nicht abhängig ist von Stimmungen, die nicht, wie es im Prolog der Benediktsregel heißt, in Angst und Schrecken flieht, wenn es einmal etwas strenger hergeht. Die Treue ist in jeder Form des monastischen Lebens von fundamentaler Wichtigkeit und eine Grundbedingung für alles andere. Darum stellt der Hl. Benedikt sie voran. Denn Ausdauer, Beharrlichkeit, Beständigkeit sind Grundelemente für eine Berufung, deren Herzmitte die Gottsuche und das Gebet sind.
Das ist eine geistliche Wirklichkeit, die aber, will sie nicht verloren gehen, in einem wahrnehmbaren Zeichen ausgedrückt werden muss. Bei der Stabilität hat man dafür die Ortsbeständigkeit gewählt: die Verwurzelung in einer bestimmten Gemeinschaft an einem bestimmten Ort – das ist die konkrete Form, in der Benedikt und seine Gemeinschaft sie erleben. Der hl. Benedikt hat die stabilitas in Zusammenhang mit einer brüderliche Lebensgemeinschaft gebracht, zu der der Einzelne in Treue steht, der er nicht in schwierigen Tagen die Mitgliedschaft aufkündigt.
Die Conversatio morum ist unser zentrales Gelübde. Conversatio bedeutet zur Zeit Benedikts eine monastische Lebenshaltung und ein monastischer Lebenswandel, ganz allgemein. In dem Gelübde der beständigen Umkehr versprechen wir, ein Leben nach dem Evangelium zu führen und unsere Maßstäbe des Denkens und Handelns schrittweise der Gesinnung Jesu Christi nachzugestalten. Der Begriff der Conversatio morum umschließt den fundamentalen Vorsatz der Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen, die Ungeteiltheit – nicht nur des Leibes, sondern auch des Herzens -, die evangelische Armut und die asketische Lebensweise in Stille und Zurückgezogenheit, sowie das Streben nach dem immerwährenden Gebet.
Eheloses Leben um des Herrn und seines Reiches willen oder die Jungfräulichkeit wäre das erste. Ohne diese Ausrichtung gibt es kein Mönchsleben. Ein Leben der Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen wurde als ausschließliche Übergabe an Gott verstanden und gelebt in der ausdrücklichen Nachfolge Jesu Christi; der in seinem dem Vater hingegebenen Leben ehelos geblieben war.
Der Begriff Conversatio schließt auch ein Leben der Askese in evangelischer Armut ein. Askese ist im Mönchtum ein Weg, eine Übung, ein Freiwerden. Die Benediktsregel bringt den Begriff kaum zur Sprache. Wir begegnen ihm aber der Sache nach an verschiedenen Stellen. Verzichte, selbst die hochherzigsten, sind nach der Regel wertlos, wenn sie nicht, wie es im 49. Kapitel gesagt wird, mit dem Segen des geistlichen Vaters geschehen. Darin drückt sich eine Absage an den Eigenwillen aus. Noch stärkere Akzente bringt das 40. Kapitel „Vom Maß des Getränks“, wo im Anschluss an eine Stelle im Korintherbrief (1 Kor 7, 7) festgestellt wird: „Jeder hat seine Gabe von Gott, der eine diese, der andere jene.“ Und etwas weiter heißt es: „Wenn Gott aber die Kraft gibt, sich davon zu enthalten, der wisse, dass er einen größeren Lohn empfangen wird.“ Die Kraft zur Enthaltsamkeit stammt also von Gott. Mit anderen Worten bedeutet das: Die Askese des Mönchs ist Gabe und Werk Gottes selber. Unser Anteil daran besteht im Sich- Einüben in die totale Übergabe an Gott, im Loslassen so mancher Dinge, die uns festhalten – oder die wir festhalten – um zu einer Freiheit des Herzens zu gelangen. Die alten Mönche hüteten sich vor jeder Übertreibung, denn auch sie macht wieder unfrei, schädigt die Freiheit, die ja gerade gesucht wird.
Die evangelische Armut ist ebenfalls ein wichtiger Pfeiler in diesem Loslösungs- und Befreiungsprozess. Das Mönchtum ist ohne diese evangelische Armut nicht denkbar, sie versetzt das Leben in die Atmosphäre der Bergpredigt. Nach Johannes Cassian ist die äußere Armut der unentbehrliche Weg zu der viel schwierigeren inneren Loslösung, zur Demut.
So hat die Armut ihren unaufgebbaren Platz in der Conversatio morum. Monastischer Wandel, das ist für den hl. Benedikt noch einmal kurz zusammengefasst: ehelos leben um des Reiches Gottes willen, in einem gewissen Maß an Stille und Einsamkeit, gezeichnet durch evangelische Armut und einer asketischen Lebensweise, strebend nach dem immerwährenden Gebet.
Im Gelübde des Gehorsams (Oboedientia) verpflichten wir uns zum gemeinsamen Hören auf Gottes Anruf und Anspruch. Im letzten geht es hier um eine Grundhaltung der Hörbereitschaft gegenüber dem Wort Gottes, um den Gehorsam im biblischen Sinn: „Höre, Israel“,
Es ist eine Offenheit für den Willen Gottes, eine wirkliche Bereitschaft, Gott zu suchen.
Aus dieser biblischen Grundbedeutung erwachsen alle anderen Aspekte des Gehorsams: die Bereitschaft, das Wort des geistlichen Vaters anzunehmen, die Preisgabe des Eigenwillens, die Verfügbarkeit, der brüderliche Gehorsam, der ein Verstehen wollen des vielleicht fremden Denkens meiner Mitschwester bedeutet.
Das alles bekommt seinen eigentlichen Sinn durch diese fundamentale Hörbereitschaft. Auch der Glaube ist Gehorsam, ist Übergabe an den persönlichen Gott. Daher kann auch Paulus das ganze Mysterium des Kreuzes im Begriff Gehorsam zusammenfassen.
Die Nachfolge des Herrn hat immer mit Gehorsam zu tun; für den Mönch geht alles darum, dass Gottes Willen in seinem Leben geschieht.
Wie die Treue der Schlüssel zum Verständnis der Stabilitas ist, so eröffnet die Übergabe den Zugang zum wirklichen Verständnis des Gehorsams. Von hier aus, von dieser betenden Offenheit des Herzens und der Ohren muss alles andere im Gehorsam gedeutet werden.
Sr. Simone Weinkopf OSB