Am Nachmittag des 28. März ist unsere Altäbtissin Edeltraud Forster OSB nach einem langen und erfüllten Leben zu Gott heimgekehrt. Mutter Edeltraud war am 17. August 1978 vom Konvent zur Äbtissin gewählt worden und erhielt am 15. September 1978 vom damaligen Limburger Bischof Dr. Wilhelm Kempf die Äbtissinnenweihe.
Sie wurde am 09. November 1922 in Bottrop geboren. Nach dem Abitur und während des Krieges leistete sie Lazarettdienst als Krankenschwester. Ab 1946 studierte sie zunächst Religionspädagogik und später Theologie an der Universität Münster. Mit ihrem damaligen Lehrer und späteren Bischof von Mainz, Kardinal Hermann Volk, verband sie eine lebenslange Freundschaft.
1949 trat sie in unsere Abtei St. Hildegard ein und legte am 22. April 1954 ihre Ewige Profess ab. Viele Jahre war sie verantwortlich für die Betreuung der Gäste. Ab 1961 übernahm sie als Novizenmeisterin für 17 Jahre die Sorge für den klösterlichen Nachwuchs. Mehrere Generationen unseres Konventes wurden durch sie geprägt und geformt. Mutter Edeltraud war ein charismatischer, ganz und gar österlicher Mensch, der Lebensfreude und Hoffnung ausstrahlte. Zugleich war sie bodenständig, nüchtern und sehr lebenspraktisch und menschenfreundlich.
Ihren 20 Jahre währenden äbtlichen Dienst stellte sie unter das Leitwort „Inveniamur in Christo – Eins werden in Christus“. Die Gründung des Klosters Marienrode bei Hildesheim im Jahr 1988 und die Hildegard-Jubiläumsjahre 1979 und 1998 waren in ihrer Amtszeit von nachhaltiger Bedeutung. Am 20. September 1998 trat Mutter Edeltraud nach Erreichung des 75. Lebensjahres von ihrem Amt zurück.
Eine besondere Freude war es für sie, dass sie zusammen mit ihrer 2016 viel zu früh verstorbenen Nachfolgerin, Mutter Clementia Killewald, die Heiligsprechung und Kirchenlehrererhebung Hildegards von Bingen durch Papst Benedikt XVI. am 07. Oktober 2012 in Rom noch miterleben durfte.
Auch nach ihrer Emeritierung war Mutter Edeltraud noch eine vielgefragte Gesprächspartnerin. Ungezählte Menschen suchten bei ihr Rat und Hilfe. Ihr Charme und ihre besondere Ausstrahlung blieben bis ins hohe Alter unverändert: die Frucht ihrer unbändigen Lebensfreude und ihrer großen Glaubensstärke.
Ihre letzten Lebensjahre waren geprägt von den Mühen des Alters und den zusehends abnehmenden Kräften. Dennoch blieb sie immer ein froher und dankbarer Mensch.
Wir bitten alle, die sich unserem Kloster verbunden wissen, um ihr Gebet für unsere verstorbene Mutter Edeltraud.
Lieber Bischof Georg, liebe Pilger, Verehrer und Freunde der heiligen Hildegard!
Wir feiern heute das Hildegardisfest, fast fünf Jahre nach der Erhebung Hildegards zur Kirchenlehrerin am 7. Oktober 2012. In diesem Jahr fällt das Fest mit dem Ende der Limburger Kreuzwoche, dem Kreuzfest, zusammen.
Christlicher Glaube und das Kreuz sind untrennbar verbunden, so gehörte das Kreuz auch zum Leben und zur Verkündigung der heiligen Hildegard von Bingen, die für den Glauben, das Evangelium und die Wahrheit brannte.
Ihr erschlossen sich die Heiligen Schriften und das, was das Evangelium konkret für unser Leben bedeutet und fordert, durch die Stimme aus dem Himmel, die zu ihrem Innern sprach, durch das lebendige Licht, das sie zu Worten und zu Taten drängte.
Zur Gnade und zum Licht gehören immer auch Abgrund und Dunkel des Kreuzes. Wir erfahren das auch heute jeden Tag. Gerade in unserer Zeit müssen viele Menschen, auch Christen, wegen ihres Glaubens viel Leid und Verfolgung erfahren, Benachteiligung und sogar den Tod. Wo nur Schmerz zu sein scheint, gibt es doch auch Mut, Standhaftigkeit und die Kraft des Erleidens, die als Kraft und fruchtbringende Energie in der Welt bleibt – so wie aus dem Opfer, dem Kreuzestod Christi das Leben der Kirche erwächst.
Die Liebe Christi hat seit Beginn des Christentums bis zu uns hin viele Menschen berührt. Sie hat ein Feuer in ihnen erweckt, das sie befähigt, selbst ein Werkzeug der Liebe zu werden – immer wieder auch Zeugen der Liebe bis zur Selbsthingabe zu werden. Dies sehen wir an den großen Heiligen, aber auch an allen Menschen, die treu ihrem Gewissen folgen, sich für andere einsetzen und Licht in die Welt tragen.
Hildegard hat Christus im lebendigen Licht erfahren und gehört. Sie hat die Herrlichkeit Gottes, die Wahrheit und die abgrundtiefe Liebe Gottes erfahren – und sie hat dabei auch das Kreuz erlebt, das wesenhaft zur Herrlichkeit gehört.
So hörte Hildegard durch das lebendige Licht und schrieb in ihrem Hauptwerk SCIVIAS:
„Ich, das lebendige Licht, das das Dunkel erleuchtet, habe den Menschen, den ich wollte und den ich, wie es mir gefiel, erschüttert habe, in großen Wundern über das Maß der alten Menschen hinausgestellt, die in mir viele Geheimnisse schauten. Doch ich habe ihn auf die Erde hingestreckt, damit er sich nicht in irgendeiner Überheblichkeit seines Geistes aufrichtet.“
Die „Erschütterung“, das „Hingeworfen-Sein“, die Demut, die Erfahrung der Unwissenheit im Licht des Allwissens und der Herrlichkeit Gottes – dies sind die Weisen wie der begrenzte Mensch auf das Geheimnis Gottes reagiert, wenn er sich in Aufrichtigkeit und Wahrheit dafür öffnet.
Diese Erfahrung ist durch die Generationen vertraut. Hildegard hat sie intensiv gelebt und auch wir, jeder/jede einzelne hat daran Teil und ahnt um die verborgene Fruchtbarkeit und Kraft dieser „Erschütterung“.
So hat Hildegard das Kreuz erlebt, wenn sie konkret auf das Krankenlager geworfen wurde, weil sie sich scheute, die Worte des lebendigen Lichtes aus sich heraus dringen zu lassen.
Auch wir kennen ein Ringen um die Wahrheit, ein Ringen in Angst und in der lähmenden Frage „Wie soll das gehen! Wie soll eine schwere Situation sich lösen, wie soll ich da durchkommen? Wie soll ich das tun, so dass es auch für den anderen gut, gerecht und in der Wahrheit bleibt?“
Wir haben die Zusage des Heiligen Geistes, der uns hilft zu sprechen, zu handeln und das Evangelium auszustrahlen, wie es z.B. im 2. Korintherbrief heißt:
„Der Herr aber ist der Geist, und wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit. Wir alle spiegeln mit enthülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wider und werden so in sein eigenes Bild verwandelt, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, durch den Geist des Herrn (3,17-18)“.
Wirklich zu leben, was wir sind und was wir erfahren haben durch Gottes Liebe, geht oft durch das Kreuz, weil es von uns fordert, uns zu lassen, uns erschüttern zu lassen, uns hinzugeben und die Wahrheit und Liebe Gottes ganz durch uns nach außen dringen zu lassen. Die Wahrheit braucht oft Überwindung und Mut, weil sie unbequem sein kann und Änderung, Umkehr einfordert.
Die heilige Hildegard hat Not, Schwäche, Krankheit, das Dunkel des Kreuzes durchlebt und sich dann unter Gottes Willen gestellt. Sie hat erlebt, wie durch ihr Eingehen und Einwilligen auf Gottes Anspruch Gott selbst wirkt, wie Gott Heil, Kraft und Licht schenkt. Und Gott hat durch Hildegard hindurch in besonderem Maße Kraft und Heil geschenkt: damals als sie mit den Menschen sprach und für sie schrieb, wie auch heute, wenn wir ihre Schriften lesen und ihrem Beispiel folgen. Sicher hat sie Stärkung beglückend erfahren, wenn sie sich auf Gottes Willen einließ, doch hat sie wohl auch die Mühsal ertragen und durchlebt. So ermutigt sie uns durch ihr Beispiel, durch ihren Gehorsam.
Sie hat das Kreuz erfahren, wenn ihr Gewissen sie zur Barmherzigkeit drängte und sie dabei auf Widerstand der kirchlichen Autoritäten stieß wie z.B. als sie den Adligen, der sich vor einem Priester bekehrt hatte, beerdigen ließ und daraufhin tiefe Einschränkungen, das Interdikt für ihren gesamten Konvent, erdulden musste. Unverstandensein und daraus Unrecht erleiden, ist ebenfalls eine Form des Kreuzes.
Im Kontext des Kreuzes stehen auch die beiden Gestalten aus der 1. Vision des ersten Teils von SCIVIAS: die Furcht des Herrn und die Armut im Geiste.
„Und vor ihm, am Fuße des Berges, steht eine Gestalt, über und über mit Augen bedeckt. Es ist die Furcht des Herrn, die vor den Augen Gottes in Demut auf das Reich Gottes blickt; umgeben von Klarheit der guten und gerechten Absicht, bewirkt sie in den Menschen Eifer und Beständigkeit … und vertreibt alles Vergessen der göttlichen Gerechtigkeit.“
Die Furcht des Herrn darf nicht mit „Angst“ verwechselt werden: Furcht des Herrn bedeutet Ehrfurcht, aufmerksame und liebende Hinwendung.
Die Furcht des Herrn blickt nur auf Gott, daher ist sie ganz von Augen bedeckt, sie erblickt das Wahre und strahlt daher Klarheit aus. Der Furcht des Herrn folgt die Haltung der Armut im Geiste. Sie folgt treu den lichten Spuren des Gottessohnes. Indem sie sich ganz hingibt, wird sie umflutet von der Herrlichkeit und der Kraft Gottes – so sehr, dass nur noch der Glanz Gottes zu sehen ist, nicht mehr ihr Antlitz:
„Auf ihr Haupt fällt ein so heller Glanz von dem, der auf dem Berg sitzt, dass du ihr Antlitz nicht anzuschauen vermagst; denn die so große Strahlkraft der Heimsuchung durch Ihn, der ruhmvoll über die gesamte Schöpfung herrscht, verströmt die Macht und Stärke dieser Seligkeit so reich, dass du in deiner sterblichen schwachen Betrachtung seine Absicht nicht erfassen kannst; denn Er, der den himmlischen Reichtum besitzt, hat sich demütig der Armut unterworfen.“
Die Furcht Gottes und die Armut im Geiste: Beide sind ganz auf Gott ausgerichtet. Sie schauen ganz auf Gott und sind ganz durchlässig für Gottes Herrlichkeit und Kraft. So verschwindet in Hildegards Bild der Armut im Geiste ganz das eigene Antlitz.
Der Mensch, der auf einem solchen Weg der Hingabe und Durchlässigkeit ist, so dass ihm geschieht nach den Worten Johannes des Täufers: „Er muss wachsen, ich aber muss kleiner werden (Joh 3,30)“ erfährt das eigene Unvermögen, Nicht-Verstehen, seine Angst und Leere als Wunde, Schmerz und Kreuz. Wenn aber das Abnehmen immer mehr von Gottes Wachsen abgelöst wird, wenn der Mensch immer mehr in die Gottesebenbildlichkeit hineinwächst, dann ist das Verschwinden des eigenen Antlitzes ein mehr in Gott hinein und das bedeutet ein Mehr an Wahrheit und ein Mehr an Selbst.
In einem Brief an Abt Philipp schreibt Hildegard: „… gewährt mir eure Gebetshilfe, damit ich in der Gnade Gottes zu verharren vermag. Ihr habt mich bis jetzt vor euch auf meinem Krankenlager da nieder liegen sehen. Denn ich behielt keinerlei Sicherheit in mir und habe all meine Hoffnung und mein ganzes Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes gesetzt.“
Keinerlei Sicherheit in ihr – so empfindet es Hildegard – so sieht sie ihre Wahrheit und es kostet Mut, diese Wahrheit anzunehmen. Und doch liegt gerade im Annehmen der eigenen Unsicherheit Stärke und Kraft, weil sie sich auf eine andere Sicherheit verlassen kann, die sie in Barmherzigkeit umfängt und die in ihr wirkt.
Bei ihrem Tod, so wird in ihrer Lebensgeschichte von Zeitgenossen berichtet, ist am Himmel ein hellstrahlendes Kreuz erschienen – hier ist es das Kreuz der Erlösung, des Sieges über alles, was nicht dem Evangelium entspricht.
Das strahlende Kreuz ist ein Gegensatz, der in unserem Denken nicht aufgelöst werden kann. Gerade durch das Nicht-aufgelöst-werden-Können ist es ein Zeichen der unendlichen Liebe und Herrlichkeit Gottes. Durch das Leben in der Nachfolge kann immer mehr Annäherung an die Unendlichkeit der Liebe, Barmherzigkeit und Herrlichkeit Gottes geschehen. In dieser Unendlichkeit fallen die Gegensätze zusammen und alles wird als strahlende Liebe sichtbar.
Diese unbegreifliche und doch für unser Leben konkrete Unendlichkeit hat Hildegard uns in Ihrer Schau, wie sie sie in ihren Bildern ausdrückte, aufgezeigt und sie hat einen Weg immer mehr in die Wirklichkeit Gottes und in Seine Wahrheit gewiesen.
Am Montag, dem 03. Oktober, hat unsere Mutter Dorothea im Rahmen eines feierlichen Pontifikalamtes in unserer Abteikirche die Äbtissinnenweihe empfangen. Der neue Bischof von Limburg, Dr. Georg Bätzing, stand dem Pontifikalamt vor und spendete die Weihe. Mit ihm zusammen konzelebrierten mehr als 30 Bischöfe, Äbte und Priester, darunter Altbischof Dr. Franz Kamphaus, der ehemalige Diözesanadministrator des Bistums Limburg, Weihbischof Manfred Grothe, der Limburger Weihbischof Dr. Thomas Löhr und der Präses der Beuroner Benediktinerkongregation, Abt Albert Schmidt OSB, Beuron.
Unsere Abteikirche war mit fast 600 Gottesdienstbesuchern, darunter viele Äbten und Äbtissinnen, Mitbrüdern und Mitschwestern aus anderen Ordensgemeinschaften sowie der Familie und Freunden von Mutter Dorothea bis auf den letzten Platz gefüllt. Eine Bild,- und Ton-Übertragung auf den Kirchenvorplatz ermöglichte es vielen weiteren Besucherinnen und Besuchern, auch draußen an der Heiligen Messe und der Weihe von Mutter Dorothea teilzunehmen. Besonders gefreut hat uns auch die rege Anteilnahme der Rheingauer Bevölkerung.
Wir danken allen, die gekommen sind, für ihre Verbundenheit, unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den vielen Helferinnen und Helfern (nicht zuletzt der Eibinger Feuerwehr und dem Malteser Hilfsdienst) für ihre Unterstützung und ihre Mitfreude.
Ihre Schwestern der Abtei St. Hildegard
P.S. Die Kollekte in der Heiligen Messe wird zur Unterstützung von Projekten der Jugendhilfe Rüdesheim verwendet. Auch gegebenenfalls zugedachte Geschenke werden für diesen Zweck eingesetzt. Wer noch eine Spende in diesem Sinne überweisen möchte, hier die Kontoverbindung: Kontoinhaber: Abtei St. Hildegard; Konto-Nr: 4 003 414 014 Pax-Bank eG (BLZ 37060193); IBAN: DE 53 370601934003414014; BIC: GENODED1PAX
am 3. Oktober
Am 03. Oktober empfing unsere Mutter Dorothea Flandera OSB aus der Hand von Bischof Georg die Äbtissinnenweihe. Für Bischof Georg war dies die erste offizielle Amtshandlung. Mutter Dorothea wurde am 10. Dezember 1952 geboren und wuchs in Kirchhain auf. Sie studierte Mathematik in Marburg und trat nach dem Diplom 1979 in unsere Abtei ein. Ihr Wahlspruch ist das Petruswort aus Joh 21,7: „Es ist der Herr“ (Dominus ipse est).
PDF Download Faszikel Äbtissinnenweihe
PDF Download Predigt Bischof Georg
Der Begriff „Abt“, „Äbtissin“ geht zurück auf den biblischen Gebrauch des aramäischen Wortes „ab,abba“ = Vater, mein Vater, mit dem Jesus Gott voll Vertrauen und in inniger Vertrautheit ansprach. Seit den Anfängen des christlichen Mönchtums (Ende des 3. Jahrhundert) wurde dieser Titel denjenigen zuerkannt, die als charismatische Geistträger Vater bzw. Mutter für ihre Jünger und Jüngerinnen waren und die geistliche Leitung einer Gemeinschaft innehatten. In der Benediktsregel (um 530 verfasst) wird dem Abt bzw. der Äbtissin nicht nur die geistliche Führung zugedacht, sondern auch eine umfassende rechtliche und materielle Leitung des Klosters. Für den heiligen Benedikt vertreten Abt und Äbtissin die Stelle Christi im Kloster. Sie sind Vater, Mutter, Lehrer, Hirte und Arzt und müssen sich mehr um das Heil der ihnen anvertrauten Seelen als um den materiellen Zustand des Klosters mühen. Abt und Äbtissin werden von ihrer Gemeinschaft gewählt (mit Zweidrittelmehrheit). Während der heilige Benedikt noch voraussetzte, dass sie auf Lebenszeit gewählt wurden, sind Abt und Äbtissin heute gehalten, mit 70 Jahren ihr Amt in die Hand eines/r Jüngeren zu legen.
Der Abt und die Äbtissin empfangen die Abts,- bzw. Äbtissinnenweihe, die keine Weihe im sakramentalen Sinne ist, sondern eine feierliche Benediktion, ein feierlicher Segen. Die Weihe wird in der Regel vom Ortsbischof des jeweiligen Klosters – oder in Ausnahmefällen – von einem anderen Bischof vorgenommen. Sie weist eine Vielzahl von Parallelen zur Bischofsweihe auf und ist eingebettet in die Eucharistiefeier, genauer gesagt zwischen Predigt und Opferung.
Zu Beginn der Weihehandlung in St. Hildegard wurde die künftige Äbtissin von Bischof Georg ausführlich befragt:
Bischof: Bevor ich Ihnen die Weihe erteile, frage ich Sie, liebe M. Dorothea:
Sind Sie bereit, Ihren Gelübden treu zu bleiben, die Regel des hl. Benedikt zu beobachten und dazu auch Ihre Schwestern anzuleiten und sie so zur Gottesliebe, zu einem Leben nach dem Evangelium und zur schwesterlichen Liebe anzuspornen?
Äbtissin: Ich bin bereit.
Bischof: Sind Sie breit, durch Ihr monastisches Leben, mehr durch Tun als durch Worte, Ihren Schwestern den Weg des Heils zu weisen?
Äbtissin: Ich bin bereit.
Bischof: Sind Sie bereit, die Ihnen anvertrauten Schwestern zu Gott zu führen, und die Sorge für deren Heil als Ihre erste Pflicht anzusehen?
Äbtissin: Ich bin bereit.
Bischof: Sind Sie bereit, Ihre Schwestern anzuleiten, der monastischen Tradition treu zu bleiben und dem Wachstum des Volkes Gottes zu dienen durch ihr kontemplatives Leben, das seine Frucht in der Verborgenheit bringt?
Äbtissin: Ich bin bereit.
Bischof: Sind Sie bereit, den Besitz des Klosters treu zu verwalten zum Wohl der Schwestern, aber auch der Armen und der Gäste?
Äbtissin: Ich bin bereit.
Bischof: Sind Sie bereit, der heiligen Kirche allezeit zu dienen, und dem Papst sowie seinen Nachfolgern Treue, Gehorsam und Ehrfurcht zu erweisen?
Äbtissin: Ich bin bereit.
Bischof: Sind Sie bereit, Ihrem kirchlichen Oberen, gemäß dem kanonischen Recht und den Ordensstatuten, in der Leitung Ihres Klosters Gehorsam zu erweisen?
Äbtissin: Ich bin bereit.
Bischof: Dazu helfe Ihnen der Herr mit seiner Gnade; er beschütze und behüte Sie immer und überall.
Alle: Amen.
Nach der Befragung folgten die Allerheiligenlitanei, während der die Äbtissin – wie bei der Diakonen,- Priester- und Bischofsweihe – ausgestreckt auf dem Boden lag. Nach den Fürbitten folgte das große Segensgebet, dessen Grundgedanken weitgehend der Benediktsregel entnommen sind.
Segensgebet
„Wir preisen dich, Gott, allmächtiger Vater: Denn du hast deinen Sohn in die Welt gesandt, damit er den Menschen diene und als guter Hirte sein Leben hingebe für seine Herde.
Wir bitten dich: Segne + und stärke deine Dienerin Dorothea, die zur Äbtissin dieses Klosters erwählt ist. In deiner Kraft sei sie allen ein Vorbild im klösterlichen Leben; in deiner Gnade sei sie würdig des Namens „Äbtissin“, den sie von nun an tragen wird. Das Wort ihrer Weisung wirke als Sauerteig in den Herzen ihrer Schwestern, damit sie deinem Willen in allem folgen. Allezeit lass sie bedenken, welch schweres und mühevolles Amt sie übernommen hat: Menschen auf dem Weg des Heiles zu führen und der Eigenart vieler zu dienen; sie wisse, dass sie mehr vorsehen als vorstehen soll. Gib ihr ein wachsames Herz, damit sie keine von denen verliere, die du ihr anvertraust. Unter der Führung deines Geistes trage sie Sorge für alles. Sie halte Maß und treffe ihre Weisungen, so dass ihre Schwestern wachsen in der Liebe zu Christus und zueinander und den Weg deiner Gebote mit weitem Herzen laufen. Erfülle deine Dienerin, Herr, mit den Gaben deines Geistes, damit sie sich zusammen mit ihren Schwestern dem Lob deiner Herrlichkeit hingebe und dem Dienst an deiner Kirche. Sie soll Christus nichts vorziehen und ihre Schwestern lehren, ihn über alles zu lieben. So werden sie auch, wenn er dann am Jüngsten Tag kommt, gemeinsam Anteil erhalten an deinem Reich.“
Nach dem Segensgebet übergab Bischof Georg Mutter Dorothea, die Benediktsregel mit den Worten: „Leiten und bewahren Sie die Gemeinschaft nach dieser Regel.“ Danach steckte er ihr den Äbtissinnenring an, der die Treue zu Gott und zu ihrer Gemeinschaft symbolisiert. Mutter Dorothea wird den Äbtissinnenring und auch das Brustkreuz unserer am 2. Juli verstorbenen Mutter Clementia Killewald tragen. Schließlich erfolgte die Übergabe des (Hirten)-Stabes als Zeichen ihres Amtes. In der Tradition unserer Abtei wird der Äbtissinnenstab über die Generationen hinweg jeweils an die neue Äbtissin weitergegeben. Der kostbare Stab, den Mutter Dorothea nun in Empfang genommen hat, ist im Beuroner Kunststil gefertigt und war einst ein Geschenk zur Weihe der Gründeräbtissin der wiederbegründeten Abtei St. Hildegard, Regintrudis Sauter, am 8. September 1908.
Unser Konvent hat am Dienstag, dem 2. August 2016, die bisherige Priorin unserer Abtei, Sr. Dorothea Flandera (63) zur neuen Äbtissin und damit zur 40. Nachfolgerin der heiligen Hildegard gewählt. Mutter Dorothea stand der am 2. Juli verstorbenen Äbtissin Clementia Killewald seit 2004 als Priorin und Stellvertreterin zur Seite. Sie wurde am 10. Dezember 1952 geboren und wuchs in Kirchhain auf, wo sich ihre Eltern, die aus dem Sudetenland stammten, nach dem Krieg niedergelassen hatten. Nach dem Abitur studierte Mutter Dorothea Mathematik in Marburg und trat nach dem Diplom 1979 in unsere Abtei ein. 1985 legte sie ihre ewige Profess ab. Seit vielen Jahren leitet sie unsere klostereigene Restaurierungswerkstatt für kirchliche Archivalien; auch nach ihrer Wahl sieht sie dort noch täglich nach dem Rechten.
Sehen, um zu gehen – Gehen, um zu sehen
Wir haben zwei bekannte, fast möchte ich sagen: berühmte Perikopen gehört – die Berufungsvision des Propheten Jesaja (6,1-8) und die Begegnung des Auferstandenen mit Maria von Magdala (Joh 20,11-18). Der alttestamentliche Text ist für den heutigen Samstag in der Leseordnung vorgesehen. Auf den Abschnitt aus dem Johannesevangelium fiel die Wahl, weil Mutter Clementia sich einen österlichen Totengottesdienst gewünscht hat. Diese beiden Lesungen sind somit ungeplant und scheinbar zufällig zusammengetroffen. Doch beim näheren Hinhören wird deutlich, wie sehr sie einander entsprechen und einander ergänzen. Zwei gemeinsame Leitworte verbinden beide Texte: sehen und gehen.
Jesaja sieht den Herrn. Es ist ein im wahrsten Sinn des Wortes majestätischer Anblick: Thron und Tempel, die geflügelten Serafim über dem Herrn und ihr dreifacher Huldigungsruf, der die Herrlichkeit Gottes besingt, das Beben der Türschwellen und der Rauch im Tempel.
Jesaja ist erschüttert bis ins Mark: Weh mir, ich bin verloren! Er erschrickt nicht nur über den Anblick, sondern vor allem über sich selbst. Zu groß ist der Abstand zwischen dem, den er sieht, und dem, der er ist: Ich bin ein Mann mit unreinen Lippen, und meine Augen haben den Herrn gesehen. Er fühlt sich nicht überfordert, sondern sozusagen über-beschenkt. Sein Zögern im Blick auf die eigene Person wird nicht verharmlost, sondern ernstgenommen. Im Bild der glühenden Kohle, die seine Lippen berührt, erfährt er Reinigung und Vergebung.
Mit geläutertem Herzen hört er die Frage Gottes: Wen soll ich senden? Wer wird für uns gehen? Er wagt zu antworten: Hier bin ich, sende mich! Jesaja hat etwas von der Herrlichkeit und von der Gnade Gottes gesehen. Darum will er jetzt für diesen Gott gehen und sich von ihm in Dienst nehmen lassen: Sehen und gehen.
Was Jesaja sehen durfte, war für zu viel für ihn. Maria von Magdala sieht zu wenig – weinend steht sie am leeren Grab, und die beiden Engel, die sie sieht, können ihr nicht über ihren Kummer hinweghelfen: Man hat meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wohin man ihn gelegt hat. Als sie sich umdreht, sieht sie Jesus. Doch sie erkennt ihn nicht, denn was sie sieht, ist so unscheinbar, dass sie die Gestalt, die vor ihr steht, für den Gärtner hält. Herr, wenn du ihn weggebracht hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast. Dann will ich ihn holen. Erst als Jesus sie mit Namen anspricht, weiß sie, wen sie da sieht. Wie bei Jesaja wird die Begegnung zur Berufung und Sendung: Geh zu meinen Brüdern! Und als erste verkündet sie die Osterbotschaft: Ich habe den Herrn gesehen.
Sehen und gehen: In dieser Spannung steht auch unser Leben und unser Glaube. Wir sind Augen-Menschen, darauf angewiesen, dass wir etwas sehen. Manchmal ist zu groß, was wir zu sehen bekommen, und wir erschrecken darüber, weil wir uns dann so klein vorkommen. Manchmal sehen wir zu wenig oder gar nichts und verlieren den Sinn und den Mut. Doch auch uns fragt Gott: Wen soll ich senden? Auch uns ruft er beim Namen, und wir können antworten mit unserem Leben, dürfen ihn entdecken und bezeugen.
Mutter Clementia hat etwas geahnt vom herrlichen Geheimnis Gottes. Ein Zugang war für sie von Anfang an die Musik. Als ihr bei den Jugendwochen in Maria Laach etwas aufging von der Schönheit des benediktinischen Lebens, ist sie nach Eibingen gegangen. Schon früher hatte sie sich in Dienst nehmen lassen, als ihr nach dem frühen Tod der Mutter die Sorge für die jüngeren Geschwister zufiel. In Eibingen diente sie als Infirmarin ihren Mitschwestern und damit dem Herrn, der sich gerade in den Kranken und Hilfsbedürftigen verbirgt und zeigt.
Als sie in einer schwierigen Landschaft im Jahr 2000 zur Äbtissin gewählt wurde, hat sie noch einmal gesagt: Hier bin ich, sende mich! Wie Maria von Magdala hat sie Gott gesucht und gefunden in den oft unscheinbaren und manchmal auch aufreibenden Aufgaben und Begegnungen, die ihr Dienst mit sich brachte. Sie hat dabei die Spannung ausgehalten und auch erlitten, die schon ihr Name ausdrückt; denn in der Milde – lateinisch clementia – liegen ja eine Güte, die nicht schwach, und zugleich eine Kraft, die nicht hart ist.
In ihrer schweren Erkrankung hat Mutter Clementia ganz neu Ausschau gehalten nach dem Herrn. Sie hat gelernt, ihren Tod österlich zu buchstabieren. Sehen und gehen: Wir hoffen mit ihr und für uns, dass am Ende des Wegs die Reihenfolge sich umkehrt und der letzte Schritt vom Glauben hinüberführt zum Schauen: Gehen, um zu sehen.
Abtpräses Dr. Albert Schmidt OSB, Beuron
am 9. Juli 2016
„Dominus ipse faciet – Der Herr wird es fügen“
Am 2. Juli 2016 starb unsere Äbtissin, Mutter Clementia Killewald, im Alter von 62 Jahren. Wir empfinden tiefe Trauer, sind aber zugleich erfüllt von großer Dankbarkeit Gott gegenüber, der uns Mutter Clementia geschenkt hat.
Mutter Clementia wurde am 25. April 1954 in Duisburg geboren und wuchs am Niederrhein auf. Als Älteste von neun Geschwistern musste sie nach dem frühen Tod der Mutter schon früh Verantwortung in der Familie übernehmen. Nach dem Abitur studierte sie Kirchenmusik in Mainz; zeit ihres Lebens liebte sie die Musik und spielte selbst Orgel und Querflöte. 1976 trat sie in unsere Abtei ein und legte am 25. April 1979 ihre Profess ab. Viele Jahre war sie verantwortlich für die Pflege und Betreuung unserer alten und kranken Mitschwestern bis sie am 23. August 2000 zur Äbtissin gewählt wurde. Die Äbtissinnenweihe erhielt sie am 3. Oktober 2000 durch Bischof Franz Kamphaus.
Mutter Clementia stellte ihre Amtszeit unter das Leitwort „Dominus ipse faciet – Der Herr wird es fügen“ (Psalm 36,5). Aus dieser Zusage lebte sie, hieraus schöpfte sie ihr unerschütterliches Gottvertrauen und ihren starken Glaubensmut. Ihr Wirken war geprägt durch ein hohes Maß an Vertrauen, Offenheit und Wohlwollen jedem und jeder einzelnen gegenüber. Umgekehrt wurde sie von unserem Konvent und den Freunden der Abtei hochgeschätzt und verehrt. Bis zu ihrem Lebensende kümmerte sie sich liebevoll um unsere Altäbtissin Edeltraud Forster. Ihre Sorge galt neben dem Konvent immer auch ihrer großen Familie.
Höhepunkt der Amtszeit von Mutter Clementia war die Heiligsprechung und Kirchenlehrererhebung Hildegards von Bingen durch Papst Benedikt XVI. am 7. Oktober 2012 in Rom. Unser Konvent hatte sich darum seit Jahrzehnten bemüht und war maßgeblich an den wissenschaftlichen Vorbereitungen beteiligt. Mutter Clementia stellte die neue Heilige und Kirchenlehrerin am 7. Oktober 2012 auf dem Petersplatz öffentlich vor und erhielt für ihre Rede seinerzeit höchste Anerkennung.
In die Amtszeit von Mutter Clementia fiel auch unser großes Bauprojekt, das an Pfingsten 2016 seinen endgültigen Abschluss fand. Ebenfalls in ihrer Amtszeit wurden im Jahr 2001 der Verein der Freunde der Benediktinerinnenabtei St. Hildegard e.V. und am 17. September 2009 die Klosterstiftung Sankt Hildegard gegründet.
Im Februar 2015 musste sich Mutter Clementia einer schweren Operation unterziehen, konnte aber ihr Amt am 3. Oktober 2015 noch einmal aufnehmen. Eine erneute Operation bewog sie dann dazu, am 27. Mai ihr Äbtissinnenamt niederzulegen. Sie starb wie sie gelebt hatte: im Vertrauen auf Gottes Führung und in Dankbarkeit und Freude für alles Gute, das sie in ihrem Leben empfangen hat. Dass sie am 2. Juli, dem Gründungstag der Abtei St. Hildegard (2. Juli 1900), dem Tag der Vertreibung des Konventes durch die Gestapo (2. Juli 1941) und dem Tag der Heimkehr aus dem Exil (2. Juli 1945) zu Gott heimging, empfinden wir als besondere Gnade und Fügung Gottes. R.i.p.
Wir bitten alle, die sich unserem Kloster verbunden wissen, um ihr Gebet für unsere verstorbene Äbtissin. Die Auferstehungsfeier findet am Samstag, dem 09. Juli, um 14.00 Uhr in der Abteikirche statt; anschließend ist die Beerdigung auf dem Klosterfriedhof.
Anstatt zugedachter Kränze und Blumen bitten wir unter dem Stichwort „Clementia Killewald“ um eine Spende für den Ökumenischen Hospiz-Dienst Rheingau e.V. Bankverbindung: IBAN: DE82 5105 0015 0455 1063 03 SWIFT-BIC: NASSDE55XXX Nassauische Sparkasse